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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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das?«
    »Ja«, nickte Czernyk. »Denn ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    Ihre Handfläche brannte. Sie wollte sich auf ihn stürzen, ihre Fingernägel in diesem stoischen, gelassenen Gesicht vergraben, doch sie zwang sich zur Ruhe.
    »Du wirst gesucht, Jan. Du bist seit Wochen nicht bei der Arbeit gewesen. Du hast keinen Urlaub.«
    Jetzt, da sie es ausgesprochen hatte, fühlte sie sich besser.
    Czernyk sah sie an. Überlegte einen Moment, dann nickte er.
    »Ja«, sagte er einfach.
    » Ja? Was bedeutet das?«
    Ihre Stimme wurde schrill, bekam einen metallischen Unterton.
    »Das bedeutet, dass du recht hast, Frieda.«
    »Interessiert dich nicht, woher ich das weiß?«
    »Das ist unwichtig. Es gibt eine Erklärung, und ich hoffe, du wirst sie akzeptieren.«
    Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
    »Das kann ich dir nicht versprechen. Du hast mich belogen.«
    »Das habe ich.«
    »Warum?«
    »Weil ich selbst nicht genau wusste, was ich da tat.«
    »Du?« Frieda Borck lachte auf. »Du bist der kontrollierteste Mensch, der mir jemals begegnet ist, Jan! Erzähl mir keinen Mist!«
    Ein heißer Klumpen pochte in ihrem Magen, die Wut kehrte zurück. Und die Angst vor dem, was er ihr gleich sagen würde.
    Czernyk sah auf seine Hände.
    »Es geht um meine Augen.«
    Der Klumpen saß jetzt in ihrem Hals, sie schluckte, um die Kehle freizubekommen.
    »Was ist mit deinen Augen?«
    »Ich hatte dir gesagt, dass ich noch nicht beim Arzt war.«
    »Und?«
    »Das war ebenfalls gelogen.«
    Sie setzte zu einer Antwort an, er brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    »Ich war beim Arzt, Frieda. Vor Monaten schon.«
    Sie schwieg. Wartete auf das, was folgen würde. Czernyk sah zur Decke, suchte nach den richtigen Worten. Er wirkte müde, als habe er wochenlang nicht geschlafen.
    »Ich habe ein Glaukom. Grüner Star. Es ist inoperabel, sagt der Arzt. Mir bleiben noch ein paar Wochen.«
    Er lächelte. Es sah aus, als wolle er sich entschuldigen.
    »Ich werde blind, Frieda.«
    *
    »Das ist ein Rezept meiner Mama«, sagte Schröder kauend. »Man muss das Fleisch so lange anbraten, bis es fast verbrannt ist. Und den Knoblauch erst kurz vor dem Servieren hinzugeben.«
    Er hatte die Schürze abgenommen, stattdessen steckte eine große Serviette vorn in seinem Hemdkragen.
    »Schmeckt toll.«
    Das tat es wirklich, Zorn schaufelte die Spätzle regelrecht in sich hinein. Zum einen, weil er am Verhungern war. Zum anderen, weil er nicht sonderlich erpicht auf das war, was Schröder ihm zu sagen hatte. Er wollte über ihn, Zorn, reden. Keine gute Idee, fand Zorn.
    »Hier«, Schröder reichte Zorn eine Glasschüssel, »tu ein bisschen Parmesan drüber.«
    Die nächsten Minuten aßen sie schweigend. Es wurde still in dem kleinen Zimmer, bis auf ein gelegentliches Knacksen der Stühle und das Klappern des Bestecks auf den Tellern.
    Schließlich ließ Schröder ein zufriedenes Grunzen vernehmen, lehnte sich zurück und legte die Serviette beiseite. Zorn ließ sich Zeit, er schob die letzten verbliebenen Fleischstücke auf seinem Teller hin und her.
    Das Gespräch. Er wollte es so lange wie möglich hinauszögern.
    Diesen Gefallen tat ihm Schröder nicht.
    »Malina hat mich heute angerufen«, sagte er ruhig.
    Zorn ließ die Gabel fallen.
    »Wie bitte?«
    Aus der Küche hatte Schröder eine Flasche Mineralwasser mitgebracht. Er goss sich ein und trank einen Schluck. »Ich weiß, dass es mich nichts angeht.«
    Im ersten Moment wollte Zorn aufspringen und aus dem Zimmer stürmen. Warum, verdammt nochmal, meldeten sich die Frauen immer bei Schröder und nicht bei ihm, wenn es Probleme gab? Zuerst Frieda Borck, nun gut, damit konnte Zorn ja noch leben, sie konnte ihn nicht leiden. Aber Malina? Sie kannte Schröder kaum, was sollte das?
    Zorn zwang sich sitzenzubleiben und atmete tief durch.
    Andererseits: Warum war er überhaupt hier? Nein, er war nicht gekommen, um zu essen. Er musste mit jemandem reden. Schröder war der einzige Mensch, der ihm nahestand. So einfach war das.
    »Was hat sie gesagt?«, fragte er.
    »Dass ich mich um dich kümmern soll. Sie macht sich Sorgen.«
    Zorn stocherte auf seinem Teller herum.
    »Sie hat mich verlassen, ich habe keine Ahnung, warum. Du?«
    »Nein.«
    »Warum hat sie sich ausgerechnet bei dir gemeldet?«
    »Weil es niemand anderen gibt«, erklärte Schröder sanft. »Du hast keine Freunde. Ich kenne dich ganz gut, glaube ich. Und sie weiß das.«
    Zorn trank sein Glas aus. Spürte die Wärme in seiner

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