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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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schließlich wahrgemacht hatte. Auch Grünbein, der Banker, war höchstwahrscheinlich vor seinem Selbstmord bedroht worden. War das die gesuchte Verbindung?
    Dann war da noch dieses hastig hingekritzelte Bild unter den Buchstaben, das traurige Gesicht mit den Strahlen. Das hatte Schröder stutzig gemacht.
    Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken.
    Als er sich meldete, klang er für seine Verhältnisse ein wenig unwirsch. Dies änderte sich, als er die Stimme der Staatsanwältin erkannte.
    »Gehen Sie nach Hause, und reden Sie mit Czernyk«, sagte er, nachdem er ihr eine Weile zugehört hatte. »Ich bin sicher, es wird sich alles aufklären.«
    Sie beendeten das Gespräch. Die folgenden zwei Stunden verbrachte Schröder am Fenster und beobachtete, wie sich die Sonne langsam dem Horizont näherte und schließlich hinter der grauen Fassade des Einkaufszentrums verschwand.
    *
    Pünktlich um acht parkte Zorn den Volvo in der Einfahrt des kleinen Reihenhauses am Rand der Heide. Schräg gegenüber leuchteten die Schaufenster eines Supermarkts, die Glocken einer Backsteinkirche begannen zu läuten. Niedrige schmiedeeiserne Zäune grenzten die kleinen Grundstücke voneinander ab, die Vorgärten waren penibel gepflegt, die Mülltonnen standen ordentlich aufgereiht in gemauerten Nischen. In der abendlichen Dämmerung wirkte die Siedlung gemütlich, fast dörflich.
    Zorn ging den schmalen Kiesweg durch den Garten. Schröder schien bereits gewartet zu haben, denn kurz, nachdem Zorn geklingelt hatte, öffnete sich die grüne Holztür mit dem Sichtfenster aus Bleiglasimitat.
    »Guten Abend, komm rein.«
    Schröder trug ein gestreiftes Hemd, darüber eine graue Strickjacke, die ihm fast bis zu den Knien reichte. In der Hand hielt er ein gefülltes Weinglas.
    »Ein kleiner Willkommensschluck? Du siehst aus, als könntest du einen vertragen.«
    »Ich hab auch was mit.« Zorn hielt eine Rotweinflasche in die Höhe. Er war erst vor einer Stunde aufgewacht, der Schlaf steckte ihm noch in den Knochen. »Aber ein Kaffee wäre mir fast lieber.«
    »Den gibt’s nach dem Essen.«
    Schröder winkte mit dem Glas, Zorn trat in die enge Diele und sah sich um. Eine hölzerne Treppe wand sich nach oben, die engen Stufen waren mit grauem Teppich ausgelegt, auf dem Absatz stand eine große Vase mit blauen Kunstblumen. Es roch nach Zimt und frisch gebackenem Apfelkuchen.
    »Es ist ein wenig spießig«, Schröder reichte Zorn ein Paar Filzpantoffeln, »aber ich fühle mich hier wohl.« Er deutete nach rechts, zu einer Glastür, an der ein Kranz aus getrockneten Blumen hing. »Und ich kann mich um meine Eltern kümmern.«
    Ein Fernseher flackerte hinter der Scheibe, Zorn hörte den Sprecher der Tagesschau. Er nickte (warum, wusste er selbst nicht) und zog die Schuhe aus. Plötzlich fühlte er sich ein wenig beklommen, kam sich vor wie ein Eindringling, schließlich war dies das erste Mal, dass er Schröder zu Hause besuchte.
    An den Wänden neben der Treppe hingen dutzende Fotos. Das größte war in vergoldetem Gips gerahmt, ein junger, durchtrainierter Mann in rotem Trainingsanzug reckte grinsend einen silbernen Pokal in die Höhe. Um den Hals hingen mindestens vier Medaillen.
    »Bist du das?«, fragte Zorn, obwohl der Junge auf dem Foto nicht die geringste Ähnlichkeit mit Schröder hatte. Bis auf das flammend rote Haar, das ihm in einer vorwitzigen Tolle ins Gesicht hing.
    »Die Bezirksmeisterschaften im Ringen. Da war ich achtzehn.«
    Zorn nahm die Brille ab und betrachtete das Bild genauer. Dieser schlanke, gutaussehende Kerl mit den stechend blauen Augen sollte Schröder sein? Der dicke Schröder?
    Er stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Du warst mal ein ganz schöner Feger.«
    »Das bin ich immer noch, Chef. Man sieht’s mir nur nicht an.« Schröder nahm Zorn die Jacke ab. »Geh schon mal vor, aber pass auf, dass du dir nicht den Kopf stößt. Die Decken sind ziemlich niedrig.«
    *
    »Du kannst mich mal!«
    Das Telefon fiel auf das Sofa, hüpfte hin und her und landete schließlich auf dem Teppich. Frieda Borck knurrte eine weitere Verwünschung und versetzte dem Handy einen Tritt, worauf es quer durchs Zimmer über das Parkett rutschte, sich ein paarmal um sich selbst drehte und schließlich unter der Heizung liegenblieb. Wie oft sie Czernyk angerufen hatte, wusste sie nicht mehr, wollte es auch gar nicht mehr wissen.
    Er meldete sich nicht. Sollte er bleiben, wo der Pfeffer wächst.
    Zunächst hatte sie sich nur Sorgen gemacht,

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