Zorn
»Hanson hatte ein Familienproblem. Irgendwas Ungesetzliches, mit Sex. Nicht hier in Minneapolis. Ich erinnere mich, dass er etwas unternehmen wollte und ich jemanden gebeten habe, ihm zu sagen, er solle es langsam angehen lassen. Natürlich inoffiziell. Man muss aufpassen, wen man um einen Gefallen bittet.«
»Stimmt«, pflichtete Lucas ihm bei.
»Das scheint Sie nicht zu überraschen.«
»Es gibt Hinweise darauf, dass der Killer etwas mit Hanson zu tun hatte. Ich habe ein Teenagerfoto von Hansons Sohn gesehen. Es hat Ähnlichkeit mit der Beschreibung von Fell, aber der Sohn war nicht dick. Und der Mann, der Marcy erschossen hat, trug einen schwarzen Bart. Angeblich hat Hansons Sohn keinen starken Bartwuchs.«
»Wenn man vorhat, in einem ruhigen Viertel, in dem man auffällt, jemanden zu erschießen, würde man vermutlich zwei Dollar in eine Verkleidung investieren«, stellte Daniel fest.
»Möglich. Fällt Ihnen sonst noch etwas dazu ein?«
Daniel blickte eine Weile zum Fenster hinaus – draußen schob eine junge Mutter ihren Kinderwagen vorbei – und nahm einen Schluck Kaffee. Dann wandte er sich wieder Lucas zu. »Nein. Brian hat die Sache damals irgendwie eingerenkt, mit Freunden geredet, einen Anwalt organisiert. Er hat nie durchblicken lassen, dass sein Sohn etwas mit dem Fall Jones zu tun haben könnte. Das hätte Brian uns bestimmt gesagt. Doch wenn Sie glauben, dass Hansons Tod mit der Sache in Verbindung steht, sollten Sie sich seinen Sohn genauer ansehen.«
»Das ist der vielversprechendste Hinweis, den wir bisher haben«, erklärte Lucas.
»Mehr weiß ich nicht. Ich wünschte, ich könnte helfen. Dass Marcy erschossen wurde, lässt mir keine Ruhe. Vor dem Ruhestand hatte ich nicht mehr lange Gelegenheit, sie kennenzulernen, aber sie hatte Potenzial, das war klar. Ich muss die ganze Zeit an sie denken.«
Lucas nickte. »Ich auch. Ich will sie ständig anrufen, ihr Sachen erzählen.«
Lucas fuhr zum SKA-Gebäude zurück und suchte Sandy auf. Sie trug wieder eins ihrer langen, leichten Hippie-Kleider und eine runde Sonnenbrille, die sie ihrer Ansicht nach wie Yoko Ono aussehen ließ, jedoch in Wahrheit eher an eine blinde Maus erinnerte. Lucas erklärte ihr, was er brauchte, und im Handumdrehen präsentierte sie ihm die Daten des Führerscheins von Hansons Sohn einschließlich seiner derzeitigen Adresse in einem hübschen Viertel in St. Paul. Zwei Minuten später hatte sie sein Führerscheinfoto heruntergeladen. Sie druckten es aus, und Lucas erklärte Sandy, dass er sämtliche verfügbaren Informationen über ihn benötige, bevor er wieder zu seinem Wagen ging.
Als er einstieg, klingelte sein Handy. Sandy. »Ich hab die Akten überprüft. Er hat einen weißen Chevy-Van.«
»Wow … Sandy !«
Dorcas Ryan, die frühere Nutte aus dem Massagesalon, arbeitete in der zweiten Schicht, weswegen Lucas annahm, dass sie daheim war. Zwanzig Minuten später stellte er den Wagen vor ihrem Haus ab und sah, wie sie ihn durchs Küchenfenster beobachtete.
Er ging zur Tür und reichte ihr wortlos die digitale Kopie von Hansons Führerscheinfoto.
Sie warf einen Blick darauf. »Moment.« Dorcas Ryan holte ihre Lesebrille, setzte sie auf und sah sich das Foto noch einmal an.
»Hmm, ist lange her.«
»Ist das Fell?«
»Möglich«, antwortete Ryan. »Aber vor Gericht könnte ich das, glaube ich, nicht beschwören.«
»Erzählen Sie bitte niemandem davon. Wenn er wirklich der Killer ist, wollen wir ihn überrumpeln.«
»Wem sollte ich es erzählen?«, fragte Ryan.
»Egal, wem. Einer Freundin, die es jemand anderem gegenüber erwähnt, der dann bei Channel Three anruft … und schon weiß es die ganze Welt.«
»Ich verrate niemandem was«, versprach Ryan. »Nicht, bis ich höre, dass er tot ist.«
»Vielleicht kommt es gar nicht so weit …«
Sie schnaubte. »Er ist ein Cop-Killer, hat eine Polizistin erschossen. Welche Chancen hat er da wohl?«
Als Lucas sich von Dorcas Ryans Haus entfernte, dachte er: Alle glauben, dass wir Fell töten werden. Lettys Ermahnung schoss ihm durch den Kopf: Er musste besonnen bleiben.
Während der Fahrt zurück zum SKA rief Lucas Del über Handy an. Del war gerade aufgestanden und frühstückte.
»Ich bin einen Schritt weitergekommen«, teilte Lucas ihm mit.
»Hab ich mir schon gedacht. Ich hab Shrake und Jenkins gesagt, dass sie sich bereithalten sollen.«
»Bis gleich im Büro.«
Dort informierte sich Lucas über die Zulassungsstelle weiter über Hanson. Zum
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