Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
erschossen hat?«
    Lucas schüttelte den Kopf. »Ich hab Angst, dass du’s Jennifer verrätst.« Jennifer Carey arbeitete für Channel Three, wo Letty inoffiziell als Praktikantin tätig war.
    »Das würde ich nie tun«, versicherte Letty. »Es sei denn, du erlaubst es mir.«
    »Na schön. Ich hab tatsächlich ein paar Anhaltspunkte.« Er erzählte ihr von Hansons mysteriösem Verschwinden. »Ich glaube, er kannte den Täter, der kalte Füße bekommen und ihn umgebracht hat.«
    »Wann wirst du das genau wissen?«
    »Sehr bald.«
    »Das heißt, du musst jetzt sehr vorsichtig sein«, konstatierte Letty. »Wenn du ihn töten willst.«
    »Du machst dir zu viele Gedanken.«
    »Stimmt. Und du zu wenige.«
    Er schlich ins Schlafzimmer und legte sich vorsichtig ins Bett.
    »Hoffentlich hat deine Tochter dir ins Gewissen geredet«, sagte Weather.
    »Ja … hat sie.«
    »Gut. Ich werde jetzt schlafen, damit ich der armen Mrs Johnson morgen nicht aus Versehen die Nase abschneide.«
    Rhinoplastik, dachte Lucas, als er wegdöste. Vom Griechischen rhino für Nase und plássein für formen.
    Doch er träumte nicht von Nasen, sondern von dem mysteriösen Fell.
    Dr. Fell, ich mag dich nicht …
    Weather stand um halb sechs auf, Lucas um acht, für seine Verhältnisse früh. Er hatte nicht mitbekommen, wie sie gegangen war; das tat er selten. Lucas streckte sich, gähnte, machte ein paar Liegestütze und Kniebeugen, duschte, holte seine Waffe, setzte sich in sein Arbeitszimmer, nahm den Telefonhörer in die Hand und rief Quentin Daniel an.
    Daniels Stimme klang alt. »Was gibt’s?«
    »Davenport. Ich muss mit Ihnen reden.«
    »Üble Sache, das mit Marcy«, sagte Daniel. »Fast so übel wie Carols Tod. Und dann noch die Entdeckung der Jones-Mädchen …«
    »Genau darüber möchte ich mich mit Ihnen unterhalten.«
    »Wann?«
    »Jetzt gleich?«, schlug Lucas vor.
    »Kennen Sie den Starbucks bei mir?«
    »Ja.«
    »In dreißig Minuten dort.«
    Quentin Daniel war Detective gewesen, als Lucas ihn kennenlernte, und später acht Jahre lang Polizeichef. Er hatte einige nicht ganz koschere Dinge auf dem Gewissen, weswegen sie sich nicht mehr so grün waren.
    Daniel war clever und ein fähiger Ermittler gewesen, und er kannte nicht nur den Fall Jones, sondern auch seine Cops. Das war seine größte Stärke gewesen: Er hatte sie so gut gekannt, dass er sie auf Fälle ansetzen konnte, die sie interessierten und für die sie bereit waren, sich zu zerreißen. Außerdem war er von seiner eigenen Intelligenz überzeugt gewesen; kluge Kollegen hatten ihm keine Angst gemacht. Er hatte die Intelligenz anderer vielmehr als Waffe in seinem Arsenal betrachtet.
    Und Lucas war seine gefährlichste Waffe gewesen.
    Lucas überquerte die Straße zum Starbucks gerade, als Daniel aus seinem Haus kam. Er war immer ein kräftiger Mann gewesen, jetzt hatte er abgenommen. Seine Haare waren länger als früher und silbergrau, und er trug Golfkleidung, ein rotes Polohemd und eine weiße Hose, dazu Sportschuhe. Lucas schätzte ihn auf Mitte siebzig.
    Als er Lucas die Tür des Starbucks aufhielt, bemerkte er: »Sie scheinen’s zu was gebracht zu haben.«
    Drinnen bestellte Daniel einen Latte Macchiato mit entkoffeiniertem Kaffee und Magermilch, und Lucas holte sich eine Flasche Orangensaft aus der Kühlung.
    »Besorgen Sie uns einen Tisch, während ich anstehe«, sagte Daniel.
    Lucas fand einen freien Tisch in einer Ecke.
    »Wie geht’s Ihnen?«, erkundigte sich Lucas, als Daniel sich zu ihm gesellte.
    »Ich habe zehn Kilo abgenommen, und mein Cholesterinspiegel ist niedriger als mein IQ. Ich esse nur noch Grünzeug.«
    Daniel fragte Lucas nach seinen Kindern, und dann wollte Lucas wissen: »Erinnern Sie sich, als ich beim Fall Jones hinter diesem Fell her war?«
    »Ja«, antwortete Daniel. »Irgendwas war komisch an dem Typ …«
    Als Lucas seinem Gedächtnis auf die Sprünge half, nickte Daniel.
    »Jetzt erinnere ich mich wieder«, sagte er.
    Lucas erzählte ihm von dem merkwürdigen Verschwinden Brian Hansons und von seiner Mutmaßung, dass der Killer möglicherweise Kontakt mit jemandem von der Polizei gehabt hatte.
    »Sie kannten die Leute damals besser als jeder andere. Wissen Sie jemanden, mit dem Hanson geredet haben könnte? Hatten Sie seinerzeit das Gefühl, dass ihn etwas beschäftigt?«
    Daniel nahm einen Schluck Kaffee, lehnte sich zurück und schloss die Augen, so lange, dass Lucas Angst bekam, er sei weggedöst. Dann machte er die Augen wieder auf.

Weitere Kostenlose Bücher