Zorn
entschuldigte sich bei den Hansons für den Irrtum. »Tut mir wirklich leid, aber aus meiner Sicht hat es sich gelohnt. Nun müssen wir nur noch rausfinden, welcher Cousin der kaltblütige Mörder ist.« Er bat sie, mit niemandem über die Geschehnisse zu sprechen. »Als ihn das letzte Mal jemand wütend gemacht hat, ist er zu dem Haus gefahren und hat auf drei Menschen geschossen und einen davon umgebracht. Bitte bewahren Sie also Stillschweigen, damit wir den Fall in Ruhe abschließen können.«
Im Wagen sagte Del: »Ich hab ja schon viele merkwürdige Fälle erlebt, aber keinen so seltsamen wie diesen.«
»So oder so, wir sind der Lösung nahe«, entgegnete Lucas, wählte Sandys Nummer und erwischte sie beim Pfannkuchenessen. »Könnten Sie noch mal ins Büro zurückfahren? Es wäre dringend.«
»Ich kann in zwanzig Minuten wieder dort sein. Was brauchen Sie?«
Er gab ihr Roger Hansons Namen, seine Adresse und Telefonnummer, die er von Darrell Hanson erhalten hatte, und bat sie, alles über ihn herauszufinden.
»Kommen Sie auch ins Büro?«
»Bald«, antwortete er.
»Wo fahren wir jetzt hin?«, fragte Del.
»Ich will mir Rogers Haus ansehen. Es ist im Nordosten.«
Roger Hanson wohnte im Vorkriegsviertel Logan Park im nordöstlichen Minneapolis, in einer baumbestandenen Straße mit Pkws und Pick-ups. Sein Haus war ein umgebauter Bungalow mit einer schmalen vorderen Veranda, zu der drei Stufen führten. Zu beiden Seiten des Gebäudes wuchsen Hecken, die es von den Nachbargrundstücken trennten. Eine enge Einfahrt voller Schlaglöcher führte an einer Seite des Hauses entlang zu einer Einzelgarage dahinter.
Nichts bewegte sich; ein Wagen stand vor dem Haus, kein anderer war in Sicht, auch kein weißer Van. Vielleicht, dachte Lucas, befand er sich in der Garage.
»Ich könnte klopfen, sehen, ob er an die Tür kommt«, schlug Del vor. »Wenn er eine Schussverletzung hat, merke ich das vermutlich.«
»Wenn er verletzt ist, kommt er nicht an die Tür«, entgegnete Lucas. »Warum auch?«
»Kein Licht«, stellte Del fest.
Sie fuhren zweimal langsam um den Block herum und blieben dann vor einem Haus mit einem »Verkauft«-Schild davor stehen. Mit ein bisschen Glück, sagte Del, wären die Besitzer schon ausgezogen, und sie würden nicht bemerkt werden.
Offenbar interessierte sich tatsächlich niemand für sie. Sie warteten eine Stunde, unterhielten sich über laufende Ermittlungen, Büroklatsch und Marcy. In dieser Stunde tat sich im Umfeld von Hansons Haus nichts – die Vorhänge bewegten sich nicht, niemand trat ans Fenster.
»Scheint niemand da zu sein«, sagte Del.
»Er könnte in der Arbeit sein. Oder ausgeflogen. Oder er ist einkaufen … Wir wissen es nicht.«
»Eins wissen wir doch«, sagte Del. »Die Vorhänge vorne und hinten sind offen. Wenn sie später geschlossen sind, können wir daraus schließen, dass er daheim ist.«
»Lass uns noch mal durchs Viertel fahren«, schlug Lucas vor. »Zur Orientierung.«
»Willst du da rein?«
»Ich spiele mit dem Gedanken«, antwortete Lucas. »Die Sache wird sich bald rumsprechen. Vielleicht nicht, was wir herausgefunden haben, aber dass wir etwas haben.«
Sie beobachteten das Haus eine weitere Stunde, dann rief Sandy an. Lucas stellte laut.
»Erstens«, begann sie, »er hat einen weißen Van. Zweitens: Er war in Moorhead; dort gibt es eine große Lehrerbildungseinrichtung, die er vier Jahre lang besucht hat. Ich bin nicht an die Personalakten rangekommen, habe aber immerhin rausgekriegt, dass er keinen Abschluss gemacht hat.«
»Weil er im letzten Jahr einer Achtklässlerin zu nahe gekommen ist«, erklärte Del.
»Darüber konnte ich nichts finden«, sagte Sandy. »Möglicherweise steht das in den Personalakten, doch dafür bräuchte ich einen richterlichen Beschluss.«
In Hansons Haus hatte sich noch immer nichts getan, so dass sie nach Sandys Anruf die Segel strichen.
Auf dem Weg zurück zum SKA sagte Lucas: »Noch etwas spricht dafür, dass ich mir das Haus auf eigene Faust ansehe: Angenommen, wir besorgen uns einen Durchsuchungsbefehl, gehen rein und finden was Interessantes – die Slips von den Jones-Mädchen oder den alten Hanson. Was dann? Wenn wir tatsächlich etwas entdecken, wäre das das Ende unserer Ermittlungen.«
»Na und? Wir hätten ihn.«
Lucas klopfte sich mit grimmiger Miene gegen die Brust. » Ich will ihn. Ich.«
Sie einigten sich darauf, am folgenden Tag noch einmal darüber zu sprechen, und machten sich auf den Heimweg.
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