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Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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gelöst und wolltest es irgendwann mal erwähnen ?«
    Lucas wurde das Gefühl nicht los, dass er etwas Ungewöhnliches getan hatte.
    Später am Tag fand eine Pressekonferenz statt, bei der Lucas ganz hinten im Raum lauschte, wie der Polizeichef mit betroffener Miene verkündete: »Wir wissen, dass wir den Mörder gefasst haben, und alles weist darauf hin, dass es für die Mädchen keine Rettung mehr gibt. Dass sie tot sind. Wir setzen die Suche nach ihnen mit allen verfügbaren Mitteln fort. Wir werden sie finden …«
    Doch das taten sie nicht.
    Am Abend nahm Daniel Lucas beiseite. »Ich habe mit dem Polizeichef gesprochen. Fürs Erste kommen Sie in die interne Ermittlungsabteilung, aber Sie arbeiten für mich. Beförderung geht noch nicht, weil keine Stelle frei ist, aber Sie stehen ganz oben auf der Liste. In spätestens sechs Monaten ist es so weit, und bis dahin arbeiten Sie in Zivil. Sie werden bestimmt ein fantastischer Detective, Lucas. Sie haben diesen Fall und den mit Rice gelöst. Und das als Anfänger. Unglaublich.«
    »Den Mann habe ich nicht gefunden«, wandte Lucas enttäuscht ein. »Diesen Fell.«
    »Man muss das gegeneinander abwägen«, sagte Daniel. »Mag sein, dass Fell interessant wäre, aber wir haben die Pappschachtel mit Scrapes Fingerabdrücken und suchen nach dem Zeugen, der Scrape am Müllcontainer beobachtet hat.«
    »Ja …«
    »In jedem Fall, den Sie bis ans Ende Ihrer Karriere bearbeiten, wird es Dinge geben, die sich nicht aufklären lassen«, sagte Daniel. »In diesem Job löst sich am Ende nicht alles in Wohlgefallen auf. Wir stochern im Nebel. Hin und wieder lüftet der sich gerade so weit, dass wir etwas erkennen können, doch dann senkt er sich wieder herab. Sie müssen lernen, damit zu leben. Trotzdem ist dieser Job interessanter als jeder andere. Komplexer. Sherlock Holmes war verglichen mit uns ein verdammter Anfänger.«
    Sherlock Holmes, dachte Lucas. Von dem hatte Randy Whitcomb auch geredet.
    Am folgenden Tag wechselte Lucas in den Zivildienst. In seiner Freizeit suchte er noch eine Weile nach Fell. Mit Hilfe von Anderson und seinem Computer fand er heraus, dass Fell seine Visa-Karte nie wieder verwendete.
    Auch bei Kenny’s oder im Massagesalon ließ er sich nicht mehr blicken. Lucas fragte sich, warum. Wusste er, dass Lucas ihm auf der Spur war? Hatte jemand ihm einen Tipp gegeben?
    Lucas verfolgte die Spur fast ein Jahr lang. Dann machte er sich als Ermittler einen Namen und konnte sich in der Blütezeit des Cracks vor Fällen nicht mehr retten.
    Nach einem Jahr gab er auf.

HEUTE

ZEHN
    Lucas rief seine Rechercheurin an und bat sie, die Eltern der Jones-Mädchen ausfindig zu machen. Anschließend brachte er zehn Minuten damit zu, Redeentwürfe des Gouverneurs zum Thema Verbrechensbekämpfung durchzugehen, in denen dieser primär sich selbst den Erfolg bei der Senkung der Verbrechensrate zuschrieb. Lucas zeichnete sie mit seinen Initialen ab und reichte sie an seine Sekretärin weiter.
    Kurz darauf teilte die Rechercheurin ihm Vornamen und Adressen der Jones-Eltern mit – George und Gloria –, und er rief Marcy Sherrill in Minneapolis an.
    Er gab ihr die Namen durch und fragte: »Willst du sie selber informieren, oder hast du jemanden, der das macht?«
    »Ich kenne da einen Kaplan, John Kling. Ein sehr angenehmer Mensch. Der war schon in der Gegend, als die Mädchen umgebracht wurden. Ich habe mit ihm gesprochen.«
    »Die Sache ist in null Komma nichts im Fernsehen«, warnte Lucas sie.
    »Kling wartet nur noch auf meinen Anruf – er soll es gleich erledigen. Hast du dich von dem Schreck erholt?«
    »Na ja. War wieder so ein Tag.«
    Der Fall Jones beschäftigte ihn den ganzen Nachmittag über. Er brachte ein langes Treffen mit Juristen hinter sich, bei dem diskutiert wurde, ob man DNS-Proben von allen in Minnesota festgenommenen Personen nehmen dürfe. Bürgerrechtler argumentierten, das sei ein Eingriff in die Privatsphäre des Bürgers; Befürworter hingegen sagten, DNS-Proben würden sich nicht wesentlich von Fotos oder Fingerabdrücken unterscheiden, die man bei Verhaftungen routinemäßig nehme.
    Lucas langweilte das Hin und Her schrecklich.
    Zu Hause erzählte er beim Abendessen von der Entdeckung der Leichen, was eine ausführliche, einigermaßen wirre Diskussion über das gerichtsmedizinische Prozedere zur Folge hatte. Danach bekamen sie Besuch von einem Banker namens Bone und seiner Frau. Sie aßen Kekse und unterhielten sich über Portfolios, den Aktienmarkt

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