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Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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und übers Angeln.
    Lucas’ Frau Weather, eine Chirurgin, musste am nächsten Morgen arbeiten und ging ins Bett, kurz nachdem die Bones sich verabschiedet hatten.
    Lucas machte einen Spaziergang durchs Viertel, plauderte mit zwei Hundebesitzern, verbrachte noch ein wenig Zeit am Computer, legte sich schließlich ins Bett und träumte von den Jones-Mädchen.
    Als er um vier Uhr aufwachte, schlief Weather tief und fest. Lucas versuchte, sich an den Traum zu erinnern, gab schon bald auf, öffnete die Augen und schob sich zu Weather hinüber, die sich abgedeckt und die Beine um ein langes weiches Kissen geschlungen hatte, das ihren Bauch stützte. Sie war im sechsten Monat schwanger, und die Ultraschalluntersuchung hatte ergeben, dass sie eher eine Schwester als einen Bruder für ihren drei Jahre alten Sam und ihre fünfzehn Jahre alte Letty bekommen würden.
    Eher eine Gabrielle als einen Gabriel.
    Den Gedanken an eine weitere Tochter fand Lucas genauso aufregend wie Weather. Mädchen waren immer gut, je mehr, desto besser. Lucas hatte bereits eine leibliche Tochter, die er nur ein- oder zweimal im Monat ein paar Stunden sah, weil sie bei ihrer Mutter und ihrer wunderbaren neuen Familie lebte. Trotzdem liebte er sie abgöttisch.
    Dann war da noch ihre Adoptivtochter Letty. Obwohl Letty ihn ganz schön auf Trab hielt, liebte Lucas sie wie sein eigenes Fleisch und Blut und war sich ziemlich sicher, dass diese Liebe erwidert wurde.
    Lucas betrachtete Weather, die, den Bauch vom Kissen gestützt, von ihm abgewandt lag. In letzter Zeit schlief sie unruhig, aber das war in ihrer ersten Schwangerschaft zwischen dem fünften und dem siebten Monat genauso gewesen. Stress, Angst, was auch immer … Er hatte ihr nicht viel helfen können, und es freute ihn, dass sie heute so gut schlief. Er machte sich Sorgen um sie: Sie waren beide nicht mehr die Jüngsten; Weather war um die vierzig, und Lucas ging auf die fünfzig zu.
    Als er die Augen schloss, erinnerte er sich wieder an seinen Traum: Darin war er jung gewesen und mit Fred Carter im Streifenwagen herumgefahren. Carters mürrisches Wesen, seine Neigung, Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen …
    Ein paar Monate zuvor war Lucas ihm zufällig begegnet. Carter arbeitete jetzt für den Sicherheitsdienst des Capitol und war mit seinem Job grundsätzlich zufrieden. Trotzdem freute er sich auf den Ruhestand in einem Jahr.
    »Man weiß nie«, hatte er zu Lucas gesagt, »wo die Terroristen als Nächstes zuschlagen. Was, wenn sie sich eine Großstadt aussuchen, die nicht im Zentrum des Interesses steht? Wo niemand es erwartet?«
    »Wie zum Beispiel Minneapolis oder St. Paul«, hatte Lucas seinen Gedanken zu Ende geführt.
    »Genau. Was würden sie sich da vornehmen? Das Capitol.« Carter hatte den Blick gehoben. »Am Ende läuft’s dann so: Ich hab noch zwei Tage bis zur Rente, und irgend so ein Scheißaraber mit einem Sprengstoffgürtel sorgt dafür, dass ich sie nicht mehr erlebe.«
    »Immerhin kriegt deine Frau sie dann«, hatte Lucas erwidert.
    »Über so was macht man keine Scherze, Mann.«
    Carters gesamtes Leben war auf den Ruhestand ausgerichtet. Doch bei seinem Gewicht, dachte Lucas, standen die Chancen schlecht, dass er mehr als ein paar Jahre davon genießen würde.
    Carter ließ Lucas an die Gesichter der toten Jones-Mädchen denken, deren Knochenmünder ihn durch die vergilbte Plastikplane angegrinst hatten. Die Jones-Mädchen …
    Kurz nach Anbruch der Morgendämmerung wälzte sich Lucas aus dem Bett und tappte in Boxershorts und T-Shirt zur Haustür, öffnete sie einen Spalt und lugte hinaus. Draußen lagen drei Zeitungen: St. Paul Pioneer Press , Star Tribune und New York Times .
    Die Times , auf die er im Moment keine Lust hatte, befand sich am nächsten, die Pioneer Press etwa zwei Meter weiter draußen und die Star Tribune noch mal eineinhalb Meter weit weg. Er sah sich um. Da niemand in Sicht war, öffnete er die Tür ganz, lief zur Star Tribune , nahm die Zeitung, hob unterwegs die Pioneer Press auf und erreichte die Tür zwei Sekunden, bevor sie ins Schloss fiel.
    Eines Tages, dachte er, würde sie zuschnappen, bevor er sie erreichte, und er würde draußen stehen. Höchstwahrscheinlich im Winter. Die einfachste Lösung wäre es gewesen, den Haken hochzudrücken, aber dann würde er vergessen, beim Verlassen des Hauses zuzusperren, und sie wäre die ganze Zeit offen.
    Außerdem liebte er den morgendlichen Kick, den es ihm verschaffte, in Unterwäsche die Tür

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