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Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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werden.
    Schmerz und Bedauern schwanden nicht, und irgendwann kam Wut dazu, die immer größer wurde.
    Marcy hatte Lucas viel bedeutet: Er hatte sie gleich zu Beginn seiner Zeit bei der Polizei kennengelernt. Sie war frisch von der Polizeischule gekommen, ein junges Ding, das bei Prostitutions- und Drogenermittlungen als Lockvogel eingesetzt wurde. Sie war heiß gewesen, toll anzusehen in kurzem Rock, High Heels und weicher, enger Bluse – Weather hatte ihr später den Spitznamen Titsy gegeben.
    Als Marcy und Lucas sich näherkamen, war Marcy gerade Detective geworden. Als Beziehung hatte das Ganze nicht geklappt, weil sie sich in vielerlei Hinsicht ähnelten: Sie waren beide ehrgeizig, streitsüchtig, manipulativ und zynisch und wollten den Ton angeben. Also brauchten sie Abstand voneinander.
    Obwohl ihre Einstellung sich so sehr ähnelte, konnten sie sich bei Ermittlungen nur selten auf etwas verständigen. Marcy war immer schon eine Führungspersönlichkeit gewesen: In wichtigen Fällen stellte sie ein möglichst großes Team zusammen und arbeitete systematisch alle Fragen ab, bis der Täter gestellt war. Für Marcy war eine Ermittlung fast so etwas wie ein gesellschaftliches Ereignis.
    Lucas hingegen taugte nicht zum Anführer, weil er sich einfach nicht für das interessierte, was er als Zeit verschlingende Bürokratie erachtete. Er handelte intuitiv, hatte jede Menge Vorurteile und bediente sich schon mal illegaler Mittel, um der Gerechtigkeit zu ihrem Recht zu verhelfen. Dabei arbeitete er am liebsten mit einem oder zwei guten Freunden zusammen, die den Mund halten konnten, für die gerechte Sache ebenfalls zu einem Meineid bereit waren und wussten, wann sie Lucas wieder auf den Boden zurückholen mussten, wenn er zu brüllen anfing. Dann brüllten sie einfach zurück. Lucas’ Leute waren in der Hauptsache Außenseiter und Einzelgänger.
    Vor seinem geistigen Auge erschien immer wieder Marcys Gesicht, auf dem sich bereits Leichenflecken abzeichneten. Er hatte sie ansehen müssen, um sicher zu sein, dass sie tot war, doch jetzt wäre es ihm lieber gewesen, wenn er den Blick abgewandt hätte.
    Nach einer Weile gesellte sich Weather zu ihm, und sie unterhielten sich leise über Marcy und ihre gemeinsame Zeit, über Letty und die Schule und über Sam und die Vorschule. Dann kam die Haushälterin herein und teilte ihnen mit, dass Sam fürs Bett fertig sei, und Weather ging zu ihm, um ihm eine gute Nacht zu wünschen. Da betrat Letty das Arbeitszimmer und setzte sich auf einen Stuhl Lucas gegenüber.
    »Du trägst Verantwortung für viele Menschen«, sagte sie. »Und du musst dich um diese Sache kümmern. Geplant.«
    »Ich weiß nicht, ob ich etwas unternehmen werde«, erklärte Lucas.
    »Bitte«, sagte Letty wie Leute in New York, wenn sie ›Das kannst du deiner Oma erzählen‹ meinen. »Du kannst nicht ins Gefängnis, und du darfst auch nicht deinen Job aufs Spiel setzen. Du musst überlegen und kannst nicht einfach planlos zuschlagen.«
    Ein Lächeln trat auf seine Lippen. »Danke für den Rat. Jetzt solltest du Hausaufgaben machen.«
    »Wir haben Ferien.«
    »Hast du Große Erwartungen schon ganz gelesen?«
    »Scheiß auf die Hausaufgaben. Hier geht’s um Ernsteres. Du musst was unternehmen, aber mit Plan.«
    »Das werde ich«, versprach er.
    »Wo willst du anfangen?«
    Er schloss die Augen. »Ich muss mit Kelly Barker sprechen, und zwar so schnell wie möglich. Am besten noch heute Nacht.«
    »Was sonst?«
    »Wir wissen, dass der Kerl in der Gegend lebt, dass er die ganze Zeit über hier gewesen ist. Er sieht die örtlichen Fernsehsender. Er ist in seinem Viertel bekannt, und in ein paar Tagen werden wir seine DNS ausgewertet haben … Wir müssen ihn bloß noch identifizieren. Die Kollegen in Bloomington haben die Notaufnahmen aller Krankenhäuser gebeten, uns zu informieren, wenn jemand mit Schusswunden reinkommt. Der Kerl ist verletzt … er muss irgendwas unternehmen. Der Fall wird bald zum Abschluss kommen.«
    »Kannst du damit leben, wenn jemand anders ihn erwischt?«
    Lucas überlegte kurz. »Ja. Lieber wär’s mir, wenn ich’s selber machen könnte, und wenn sich die Gelegenheit ergibt, tu ich es auch, aber wenn die Polizei in Bloomington ihn kriegt, kann ich damit leben.«
    Letty beugte sich ein wenig vor. »Mach das mit Del. Wenn doch du ihn um die Ecke bringen solltest, stärkt Del dir den Rücken.«
    Lucas nickte. »Ja.« Und wenig später: »Von diesem Gespräch musst du deiner Mutter nichts

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