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Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
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selbst große Vorwürfe. Er kümmert sich wirklich … aufopfernd um seine Patienten. Er nimmt dergleichen nicht auf die leichte Schulter.«
    Striker nickte. »Verstehe. Er wird sich die Akte jedoch leider nicht ansehen können, weil wir sie mitnehmen.«
    Die Frau senkte betreten den Kopf. Felicia trat zu ihr und nahm ihr die Akte aus den Händen.
    »Oh Gott«, stammelte die Frau. »Dr. Ostermann …«
    »Kann jederzeit mit mir reden, wenn er das Bedürfnis dazu verspürt«, schnitt der Ermittler ihr das Wort ab.
    Wie auf ein geheimes Stichwort hin kam Dr. Ostermann in diesem Moment aus dem Gang, der in den Westflügel führte. Winzige Schweißperlen schimmerten auf seiner Gesichtshaut. Seine Pupillen wirkten dunkel und groß hinter der Brille, und als er die beiden Mordermittler sah, wurden sie noch größer. Er blieb stehen, musterte die beiden kurz, bevor er seinen Weg durch das Foyer fortsetzte.
    »Detectives.« Er nickte zu Felicia. »Ich hoffe, es geht Ihnen so weit gut, Ms. Santos.«
    Sie trommelte mit der Faust auf ihren Solarplexus. »Mein Herz schlägt zuverlässig wie ein Uhrwerk.«
    Dr. Ostermann fuhr sich erkennbar nervös mit der Zunge über die Lippen. »Schön, das zu hören, Detective Santos. Nach dem, was da vorhin passiert ist … als der Schuss losging und wie Sie stürzten …«
    Felicia nickte höflich. »Wie Sie sehen, hab ich’s relativ gut überstanden.«
    Dr. Ostermanns Blick glitt von Felicias Gesicht zu der Akte in ihrer Hand, und seine Miene verdunkelte sich.
    »Ist das meine Akte, die Akte, die ich einsehen wollte?«, fragte er.
    »Es war Ihre Akte, aber jetzt ist es unsere Akte«, betonte Striker. »Wir nehmen sie mit.«
    »Mitnehmen? Aber … aber ich muss sie noch durchsehen. Therapiesitzungen rekapitulieren. Untersuchen, was schiefgelaufen sein kann.« Er schien geradezu verzweifelt. »Detectives, verstehen Sie doch, ich bin meinen Patienten verpflichtet .«
    »Kein Problem«, sagte Striker. »Wir können Ihnen selbstverständlich eine Kopie machen.«
    Das schien den Mediziner zu beruhigen. Er nickte bedächtig zu der Schwester, woraufhin sie Felicia in das angrenzende Archiv begleitete. Kurz darauf drang das Brummen des Fotokopierers aus dem Raum. Während sie auf die Kopien warteten, beobachtete Striker den Psychiater, dessen Haltung und Mimik. Er wirkte extrem angespannt und nervös.
    Kein Wunder, nach allem, was passiert war.
    »Warum sind Sie einfach weg?«, fragte Striker.
    Dr. Ostermann tat verblüfft. »Verzeihen Sie, aber ich kann Ihnen nicht folgen.«
    »Burnaby General. Das Krankenhaus. Warum sind Sie vorhin sang- und klanglos verschwunden? Sie wussten doch, dass wir noch mit Ihnen sprechen wollten.«
    Dr. Ostermann spreizte die Hände und legte die Fingerkuppen aneinander. »Und Sie wissen, wo Sie mich jederzeit finden. Ein Mann in meiner Position kann nicht einfach sang- und klanglos verschwinden.« Er machte eine ausgreifende Geste und zeigte mit dem Finger, als hielte er einen wissenschaftlichen Vortrag. »Schauen Sie sich dieses Krankenhaus an, Mapleview. Meine Klinik. Hier war das absolute Chaos. Alle waren traumatisiert. Ich musste so schnell wie möglich zurück, um die Situation zu beruhigen.«
    »Das klingt mir einen Tick zu melodramatisch«, sagte Striker.
    »Ich musste mich um mein Personal kümmern, Detective. Und um die Patienten. Ich hatte Visite. Musste Rezepte ausstellen. Die ganze Klinik war in Aufruhr über den Vorfall. Ich musste einfach hier sein.«
    »Was ist mit Dr. Richter?«, erkundigte sich Striker.
    »Ich hatte eine Nachricht hinterlassen«, lautete die lapidare Antwort. Ostermann massierte sich abwesend die Schläfen. Er wirkte müde und abgeschlagen.
    Striker beobachtete ihn schweigend. Als Felicia mit der Schwester zurückkehrte, nahm er die Akte und blätterte sie kurz durch. Sie war dick und mit Trennblättern versehen. Während er die Einträge überflog, fiel ihm noch etwas auf.
    Die Akte war unvollständig. Lange Zeiträume fehlten.
    Er sah auf und traf den Blick des Psychiaters. »Wo ist der Rest?«
    »Der Rest?«
    Striker grinste zynisch. »Das machen Sie wohl gern, was?«
    »Was?«
    »Meine Fragen wiederholen. Ist das Ihre ganz spezielle Art von Verzögerungstaktik? Damit Sie sich in Ruhe eine passende Antwort zurechtlegen können?«
    Als Dr. Ostermann nichts erwiderte, fuhr Striker fort: »In dieser Akte fehlen größere Zeiträume. Deshalb frage ich Sie nochmals, Doktor, wo ist der Rest der Akte?«
    Die Miene des Arztes verhärtete

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