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Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
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gelegentlichen Vertretungen haben Sie Larisa nie therapiert, ist das korrekt?«
    »Ja. Sie war Dr. Ostermanns Patientin. Darauf legte er großen Wert. Sie war so etwas wie sein ganz persönliches Projekt.«
    Striker bemerkte Felicias angespannte Miene. Er brachte das Gespräch auf andere Themen. Ob Dr. Richter gelegentlich neue Medikamente an den Patienten ausprobieren würde, ob sie Verbindungen zur Army habe und ob sie jemals im Riverglen tätig gewesen sei?
    Alle drei Fragen beantwortete die Ärztin mit Nein.
    Damit war die Befragung beendet. Striker steckte sein Notizbuch weg und stand auf. Er schüttelte Dr. Richter die Hand und bedankte sich für ihre Zeit.
    Auf halbem Weg zur Tür meinte er: »Bleiben Sie in der Nähe Ihres Telefons. Ich habe bestimmt noch ein paar Fragen an Sie.«
    »Jederzeit«, antwortete sie kühl.
    Sie fuhren durch die Zedernwälder von West Vancouver auf den Trans-Canada Highway und in die Innenstadt. Auf der Rückfahrt versuchte Striker zu relaxen und mental einen Gang zurückzuschalten. Felicia war jedoch das reinste Energiebündel.
    »Wir haben die Verbindung«, sagte sie. »Dr. Ostermann behandelte alle vier Patienten, Gill, Rose, Mercury und Logan, und sah sie nicht bloß in Gruppen-, sondern auch in Einzeltherapien.«
    Striker nickte. »Kommt hin. Außerdem hat er in etwa die Größe und Statur von dem Typen, der mich am Gill-Tatort angriff. Aber das ist bislang alles rein hypothetisch.«
    »Was heißt das? Dass er erst mal außen vor ist?«
    »Nein. Wir sehen uns den Doc mal genauer an.«
    Felicia nickte. »Sei bloß vorsichtig, dass du ihm nicht auf die Füße trittst«, meinte sie dann besorgt.
    »Hab ich was von Verhör gesagt?« Sie fuhren eben über die Lion’s Gate Bridge. Striker angelte nach seinem Handy und tippte die Nummer von Hans Jager ein, Spitzname Meathead und einer der Spezialisten vom SEK . Nach dem Gespräch steuerte der Detective zur Cambie Street Bridge, um sich das entsprechende Equipment abzuholen.

69
    Die Natter hatte keine Ahnung, wie spät es war. Es hätte acht Uhr abends, aber auch frühmorgens sein können. Hauptsache, das mit der Installation hatte geklappt. Super geklappt. Das war seine Mission, Zeit interessierte ihn nicht.
    Der Kamerakorpus stand auf dem Stahlgestell, das er an zwei Holzverstrebungen in dem Speisenaufzug festgeschraubt hatte. Die Linse war durch ein kleines Loch in der Wand auf das Privatzimmer des Doktors fokussiert.
    Das verbotene Zimmer.
    Die Nattter schaltete die Kamera ein und checkte das Display. Die Kamera erfasste Eichenschreibtisch, Himmelbett und den verschlossenen Barschrank in der hinteren Ecke.
    Die Kamera erfasste alles .
    Wie auf eine geheime Drehbuchanweisung hin kehrte der Doktor zurück, und er war nicht allein. Die Natter überlegte, ob er hastig den Rückzug durch den engen Aufzug antreten sollte, entschied sich dann aber anders.
    Er wartete, von einer dunklen Neugier getrieben.
    Er starrte auf das Kameradisplay. Der Bewegungssensor reagierte, und die Aufzeichnung hatte bereits begonnen. Die beiden Leute im Zimmer fingen an. Die Natter hatte den Akt schon gehört. Er hatte die Ergebnisse gesehen. Er wusste, dass es passierte.
    Er hatte es jedoch noch nie wirklich gesehen.
    Er verharrte in seinem engen, dunklen Versteck und verfolgte mit gemischten Gefühlen, wie der Doktor den Barschrank öffnete und was er herausnahm.
    Er hätte Ekel empfinden müssen. Angst. Aber der Schock blieb aus. Stattdessen spürte er die Spannung, die sich in ihm aufbaute und sämtliche Nervenenden erfasste, während er halb ungläubig auf das Display starrte.
    Als die Schreie einsetzten und Blut spritzte, wäre die Natter am liebsten geflüchtet, doch es ging nicht. Er blieb da, fasziniert, paralysiert. Eine Statue in der Dunkelheit.
    Er konnte den Blick nicht losreißen.

70
    Der Verkehr war enorm, und sie waren später dran als vereinbart. Als sie endlich das Nordende der Cambie Street Bridge erreichten, rechnete Striker halb damit, dass Meathead schon weg wäre. Sekunden später, am Rand der Nelson Street, erspähte Felicia eine Gruppe von trainierten Männern. Ihre schwarzen Overalls verschmolzen perfekt mit der Dunkelheit. Einige von ihnen sprangen gerade in einen wartenden weißen Transporter.
    Das waren die Männer vom SEK . Sondereinsatzkommando.
    Striker kannte die meisten aus dem Red Team: Reid Noble, Spitzname Jitters. Davey Combs, einhundert Kilo reine Muskelmasse verteilt auf einem Meter fünfundsiebzig. Und Victor

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