Zornesblind
schon mal was.«
»Das ist erst der Anfang«, fuhr Felicia fort. »Bei Mandy Gill und Sarah Rose war es genau das Gleiche. Auch ihnen wurden sämtliche persönlichen Dokumente gestohlen, und sie wurden Opfer von Identitätsbetrug.«
»Hat Larisa den Verlust gemeldet oder dass jemand ihr Konto plünderte?«, hakte er nach.
»Beides.«
Sie klickte auf das Datum, an dem Larisa Logan den Identitätsbetrug gemeldet hatte.
»Larisa hat es am dritten August letzten Jahres gemeldet«, bemerkte er.
Felicia nickte. »Und drei Tage später wurde sie eingeliefert.«
»Wo?«
»Im Riverglen.«
»Auf wessen Anweisung?«
»Dr. Riley M. Richter.«
Striker lehnte sich in seinem Sitz zurück, ihm schwirrte der Kopf. Vier Opfer von Identitätsbetrug. Alle vier hatten eine Verbindung zu den Ärzten des EvenHealth-Programms. Und jetzt waren drei davon tot, eine Person war flüchtig.
Das konnte astronomisch viel bedeuten.
»Es geht immer wieder um die Ärzte«, stellte er fest. »Um Ostermann und Richter.«
Kaum hatte er ausgesprochen, klingelte sein Handy. Er nahm an, presste es an sein Ohr: »Detective Striker, Mordkommission.«
Die Stimme, die ihm antwortete, war sanft und weich. Feminin.
»Hier ist Dr. Richter. Sie wollten mich sprechen?«
68
Die Adresse, die Dr. Richter Striker gab, lautete Stone Creek Slop in West Vancouver, Kanadas teuerstes Pflaster. Als sie den Trans-Canada Highway verließen und kurz darauf durch das betreffende Viertel fuhren, wusste Striker, warum.
Die Anwesen waren groß und idyllisch gelegen, die alleenartigen Straßen von hohen alten Zedern gesäumt. Die meisten Häuser lagen hinter hohen Mauern und Zäunen versteckt. Jedes Haus hatte eine Veranda, die zur Bucht hinausging.
Striker blickte über das Wasser, glatt und schwarz glänzend wie Marmor, ähnlich wie der wolkenlose Nachthimmel. Unter ihnen erstreckte sich die Innenstadt von Vancouver, hell erleuchtet und pulsierend.
Er fuhr langsam die sanft abfallende Böschung hinunter, bis er auf der linken Seite die gesuchte Adresse entdeckte. Eine schmale Auffahrt, verglichen mit den anderen, halb versteckt hinter Bäumen.
»Ziemlich abgelegen hier draußen«, meinte Felicia. »Als wäre man mitten in der Pampa, dabei ist die Innenstadt mit dem Auto in zehn Minuten erreichbar. Es ist wunderschön.«
»Und hoffnungslos überteuert. Deshalb wohnen hier auch bloß Ärzte und Anwälte und irgendwelche Celebritys.«
Er setzte in die Auffahrt und parkte auf einem kleinen runden Vorplatz. Sie stiegen aus. Das Haus vor ihnen wirkte zwar nicht so bombastisch wie die meisten in der Nachbarschaft, trotzdem war es bestimmt Millionen wert.
Schlagartig flammte die Außenbeleuchtung auf, und die Haustür wurde geöffnet. In der Tür stand eine Frau um die dreißig, in einem schwarzen Kostüm, die langen, braunen Haare zu einem weichen Knoten hochgesteckt. Herbes, aber hübsches Gesicht. Intelligente Augen, die Strikers Blick unbewegt erwiderten.
»Guten Abend«, sagte sie. »Ich bin Dr. Richter. Ich hab Sie schon erwartet.«
Sie führte die beiden Detectives in ein kleines Wohnzimmer, das den Außenpool und die Klippen über der Bucht überblickte. Auf dem Kaffeetisch stand eine Schale mit Mandarinen, deren Duft den Raum erfüllte.
Striker setzte sich in einen edlen Designersessel Dr. Richter gegenüber, die auf einem kleinen Zweisitzer Platz nahm. Felicia nahm das andere Sofa.
»Schön haben Sie es hier«, begann Striker.
Dr. Richter brachte ein Bein unter das andere und zog ihren Rock glatt. »Das Haus gehört meinem Onkel«, antwortete sie. »Ich zahl wenig Miete, und er wohnt schräg gegenüber. Das ist optimal, weil ich oft weg bin. Dann hat er ein Auge auf das Haus.«
»Sie waren gestern nicht erreichbar«, schob der Detective nach. »Ich habe mehrere Nachrichten hinterlassen.«
»Ja, stimmt. Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich nicht eher gemeldet habe. Ich hatte meinen Anrufbeantworter nicht abgehört. Zudem dauerte der Flug von New York fast den ganzen Tag.«
»Waren Sie auf einem Kongress?«, hakte Felicia nach.
»Nein, ich hab dort Verwandte. Ich hab ein paar Besuche gemacht, Kontakte gepflegt. Und mir die Gegend angeschaut. Ich plane, in New York eine Privatpraxis aufzumachen. Da kann ich dreimal so viel verdienen wie hier, und die Steuerlast ist nur halb so hoch.«
»Das ist natürlich ein erheblicher Unterschied«, bemerkte Felicia.
»Es ist ein Unterschied von fünfzehn Jahren – mit fünfzig oder mit fünfundsechzig in
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