Zornesblind
es ihr dreckig ging. Die Mitteilung war vor zwei Minuten abgeschickt worden, stellte er fest.
Hastig tippte er zurück:
Larisa, warten Sie! Wo sind Sie?
Er wartete nervös, bekam aber keine Antwort. Mittlerweile rechnete er mit dem Schlimmsten.
Eine Frau. Mit dunklen Augen.
Dalia?
Oder Lexa?
Striker rief bei Bell an, seinem Serviceprovider. Er nannte Dienstnummer und -grad und bat darum, den Absender zu ermitteln. Als der Techniker sich zunächst sträubte, rastete Striker aus.
»Hier geht es um Leben und Tod«, polterte er los. »Ich kenne Ihre Unternehmenspolitik – ich hab das schon zig Mal gemacht. Und jetzt verfolgen Sie verdammt nochmal diesen Anruf und sagen mir, woher er kommt. Wenn dieser Frau irgendwas passiert, mache ich Sie dafür verantwortlich. Nicht Ihr verfluchtes Unternehmen, sondern Sie persönlich!«
Der Angestellte hüstelte unbehaglich und bat ihn, in der Leitung zu bleiben. Sekunden später war er wieder am Apparat. »Der Text kommt aus der Gegend um Whistler Blackcomb, mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
»Können oder wollen Sie nicht?«
»Sorry, aber genauer kann ich leider nicht werden.«
Striker fluchte. Er legte grußlos auf und ging seine Optionen durch. Whistler Blackcomb war ein Skigebiet in den Bergen, ungefähr zwei Stunden Fahrzeit von der Stadt entfernt.
Eine Stunde fünfzehn, wenn es sein musste.
Das Resort war eines der größten Skigebiete in Nordamerika. Normalerweise lebten in der Gegend zehn- bis fünfzehntausend Menschen, aber anlässlich der Wintersaison war die Zahl locker dreimal so hoch. Hinzu kamen die vielen kleinen Dörfer, die rings um Lifte und Pisten entstanden waren. Larisa dort zu suchen wäre so wie die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen.
Er fluchte inbrünstig. Er verwarf den Gedanken, Verstärkung anzufordern. Das letzte Fiasko mit Bernard Hamilton von Wagen 87 in der Kaffeebar im Metrotown war ihm noch zu frisch in Erinnerung. Nachher glaubte Larisa wieder, sie sollte ausgetrickst werden, und dann würde sie logischerweise in der Versenkung verschwinden. Dieses Risiko durfte er nicht eingehen.
Er hatte keine andere Wahl.
Er wählte die Nummer von Felicia. Sie nahm beim ersten Klingeln ab.
Er meldete sich mit »Hotline Er sucht Sie«.
Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er sie damit zum Lachen gebracht. Heute jedoch nicht. »Wo bist du?«, wollte er wissen.
»Auf der Rückfahrt von Burnaby. An der Powell und Nanaimo. Ich bin in fünf Minuten da. Ich hab den Bericht über Gabriel.«
»Gut. Du kannst ihn dir unterwegs durchlesen und mir dann auf unserer kleinen Spritztour das Wesentliche erzählen.«
»Auf unserer kleinen Spritztour? Wohin?«
»In die Whistler Mountains«, erklärte er. »Da suchen wir nach Larisa.«
88
Wie lange es dauerte, bis das Gefühl in seine Beine zurückkehrte, wusste die Natter nicht. Die Zeit war wie immer unwesentlich für ihn. Anfangs war da dieses Taubheitsgefühl unterhalb der Taille, und dann folgte langsam und konstant der Schmerz. Der Schmerz wuchs. Und mit dem Schmerz kehrte die Mobilität zurück. Als die Haustür auf- und zuschnappte – ein Zeichen, dass der Doktor zurückgekehrt war –, konnte er halbwegs stehen.
Erst da realisierte er, dass er vollkommen nackt war. Seine Klamotten lagen noch draußen am See.
Er stakste in die Küche, wo der Doktor sich eben eine Tasse grünen Tee machte. Sie blickte nicht mal auf, als er hereinkam.
»Du suchst das Mädchen«, befahl sie.
»Welches Mädchen?«
»Larisa Logan.«
Er machte eine Pause. »Die ist uninteressant.«
»Du sollst nicht mitdenken, Gabriel, sondern zuhören . Und Anweisungen befolgen«, versetzte sie ungnädig.
Er sagte nichts und nickte bloß, und der Doktor fuhr fort.
»Larisa Logan ist die Einzige, die uns mit den Todesfällen in Verbindung bringen kann.«
»Die Ermittler wissen das sicher längst.«
Der Doktor lachte laut auf. »Die müssen uns erst mal finden, Gabriel. Wird höchste Zeit, dieser Familie einen neuen Look zu verpassen. Und eine neue Identität, die nie herauskommen wird – deshalb hab ich die anderen Videos an mich genommen. Deine Videos. Das sind weitere Beweisstücke, die uns belasten.«
Er schmeckte plötzlich bittere Galle im Mund. »Meine Videos …«
»Ich habe sie vernichtet, Gabriel. Und du wirst keine mehr machen, hast du mich verstanden? Du wirst keine mehr machen.«
»Ich mach keine mehr«, versicherte er hastig.
»Gut. Dann sind wir uns ja einig. Und jetzt zieh dich an, und ruh dich
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