Zornesblind
einer mobilen Einheit des VPD Mental Health Teams, die sich um die Durchgeknallten der Downtown East Side kümmerte.
Was war in der Zwischenzeit mit dem Mädchen passiert?, grübelte Striker finster.
Felicia schloss ihren Sicherheitsgurt, und Striker fuhr in Richtung Innenstadt. »Ich überprüf inzwischen die CAD -Aufzeichnungen«, sagte sie. »Mal sehen, was in der Gegend los war, als Mandys Anruf einging.«
Striker nickte zustimmend.
CAD , das war das »Computer Assisted Dispatch«-System, das Notrufe und allgemeine Anfragen aus der Bevölkerung protokollierte. Es dokumentierte jeden Anruf, den ein Kollege entgegennahm. Vielleicht fand sich da ja eine brauchbare Spur.
Himmel, es war völlig egal, womit sie anfingen.
Sie fuhren zum Präsidium. Auf der Fahrt muffelte Felicia irgendwas von »Scheißlanger Arbeitstag, der wohl nie aufhört«. Striker warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie hatte die Lider halb gesenkt, dunkle Ränder zeichneten sich unter ihren Augen ab. Sie brauchte dringend eine Koffeindröhnung. Also machte er einen kurzen Abstecher zum nächsten Starbucks Drive-Thru. Er bestellte sich einen großen Americano, schwarz, und einen Proteinriegel.
»Was möchtest du?«, fragte er seine Kollegin.
»Eggnog latte. Und eine Himbeerschnitte mit Zitronencremesahne obendrauf.«
»Was Dekadenteres fällt dir zur Abwechslung mal nicht ein?«
»Jacob, ich sterbe vor Hunger und brauch dringend einen Kaffee. Im Übrigen geht das auf dich. Du hast immerhin noch was gutzumachen, nach dem Scheiß im Labor.«
Er grinste. »Okidoki.«
Striker reichte Felicia das Tablett und bezahlte. Dann brauste er zur Main Street 312. Präsidium.
Abteilung: Morddezernat.
Eine halbe Stunde später lehnte Striker sich auf seinem Bürostuhl zurück und rieb sich die trockenen Augen. Weil sein Computermonitor Müll war – das Bild unscharf, nichts ließ sich mehr vernünftig einstellen.
Er blinzelte zu Felicia hinüber. Sie hatte den besseren Bürostuhl, Leder mit ergonomisch geformter Rückenlehne, und einen von den hochmodernen Flachbildschirmen mit sämtlichem Schnickschnack.
»Wie bist du eigentlich an die neuen Sachen gekommen?«, wollte er wissen. »Mein Antrag läuft schon seit über einem halben Jahr, und ich krieg nichts bewilligt.«
»Beziehungen«, sagte sie lapidar und las weiter.
Striker schwieg. Er streckte die Arme nach oben und fühlte, wie es in seinem Rücken knackte. Er starrte aus dem Fenster. Draußen war es stockdunkel und bestimmt schweinekalt.
Er war froh, dass er in seinem warmen Büro saß.
Plötzlich fiel ihm Courtney ein. Er rief zu Hause an und drückte den Knopf der Freisprechanlage, um beim Telefonieren die Hände frei zu haben. Beim sechsten Klingeln sprang der Anrufbeantworter an. Seine Tochter hatte mal wieder den Text geändert. Das machte sie jede Woche:
»›If you like it then you better put a ring on it‹«, sang sie. »Sie können jedoch auch eine Nachricht hinterlassen.«
Der Text kam ihm zwar bekannt vor, er konnte ihn jedoch nicht einordnen. Vermutlich wieder irgendein angesagter Hit.
»Hier ist Dad«, meldete er sich. »Los, geh ran.«
Als Courtney nicht abnahm, wiederholte er seine Ansage, dann drückte er frustriert aus.
Felicia drehte sich in ihrem Sessel zu ihm. »›Single Ladies‹«, sagte sie.
»Hä?«
»Der Song auf dem Anrufbeantworter. Das war ›The Single Ladies‹ von Beyoncé.«
Striker nickte kurz. »Aha.«
Sie musterte ihn von oben bis unten. »Du hast keine Ahnung, stimmt’s?«
»Hab ich wohl. Beyoncé – das ist doch der Leadsänger von Guns ’N’ Roses, oder?«
Felicia prustete los, woraufhin Striker verständnislos grinste.
»Meine Augen fühlen sich an wie Sandpapier«, erklärte er.
Sie brach ein Stückchen von ihrer Himbeerschnitte ab und schob es ihm in den Mund. »Hast du schon irgendwas?«
»Außer wahnsinnigen Kopfschmerzen? Nein, nicht wirklich.« Er kaute und schaute dabei auf seinen Monitor, auf den er vier Seiten von PRIME geladen hatte.
Das »Police Records Information Management«-System, kurz PRIME , war eine riesige Datenbank, die alles enthielt von den üblichen Polizeiberichten bis hin zu hochsensiblen Geheimdienstdateien. Es war eine von zwölf unterschiedlichen Datenbanken, auf die die Cops Zugriff nahmen.
Alle waren essenziell.
Striker räusperte sich. »Hier steht jede Menge über Mandy. Die meisten Dateien betreffen ihre labile mentale Verfassung. Sie war sehr krank. Wird überall als EDP aufgeführt.«
EDP –
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