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Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
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sein Gesicht. Schlimm, schmerzvoll. Ein trauriger Ort, traurig und grausam. Er riss sich wahrlich nicht darum hierherzukommen, aber es gehörte nun mal zu seinem Job als Mordermittler.
    Er drückte die Tür auf und trat ins Innere.
    Auf einem der Untersuchungstische lag Mandilla Gill. Neunzehn Jahre jung. Und mausetot. Ihr Körper war bis zu den Schultern mit einer weißen Plastikplane verhüllt, das Gesicht jedoch unbedeckt, was ungewöhnlich war. Anscheinend war die Gerichtsmedizinerin Kirstin Dunsmuir gerade damit beschäftigt, die Leiche für die Obduktion vorzubereiten.
    Striker blickte sich suchend um.
    »Hast du Dunsmuir schon irgendwo gesehen?«, fragte er Felicia.
    »Die Todesgöttin?« Felicia schüttelte den Kopf. »Nein. Bin ehrlich gesagt auch nicht scharf drauf. Die sehen wir noch früh genug.«
    Striker musste sich ein Grinsen verkneifen. In einer anderen Situation hätte er laut gelacht. Felicia konnte Kirstin Dunsmuir nicht ausstehen – er im Übrigen auch nicht. Das erging vielen so. Die Frau war kälter als die Toten, die sie obduzierte, und vollkommen humorlos.
    Kopfschüttelnd streifte er Latexhandschuhe über und trat zu der Leiche auf dem Stahltisch. In der schneidenden Helligkeit der Untersuchungslampen wirkte Mandy Gills Haut fast aschig. Ihr Gesicht war mangels Blutzirkulation etwas eingesunken, die Muskeln um ihre Augen jedoch noch straff. Striker hatte gehofft, dass die tote Mandy friedlicher erscheinen würde, aber das tat sie nicht.
    Er zog das Laken zurück und betrachtete den Körper. Die Tote war nackt. Dies ließ darauf schließen, dass die Autopsie bereits begonnen hatte.
    »Dunsmuir untersucht sicher gerade die Unterwäsche auf irgendwelche Spuren«, folgerte Felicia. »Warten wir lieber, bis sie zurückkommt. Du weißt, wie fuchsig sie werden kann, wenn man ihr in den Kram pfuscht.«
    Striker zuckte wegwerfend mit den Schultern. »Ich hab nichts angerührt. Ich will mir die Leiche bloß mal anschauen.«
    »Weswegen?«
    »Spuren.«
    Er richtete den Strahl der Untersuchungslampe direkt auf den Körper. Das Blut sammelte sich schwach violettgrau im unteren Fünftel des Leichnams. Mandys Gesichtsmuskulatur wirkte maskenhaft starr, vor allem um die Augenlider herum und im Wangenbereich.
    Die Totenstarre war eingetreten.
    Striker konzentrierte sich auf die Haut der Toten. Zunächst suchte er mit Blicken nach möglichen Einstichen an den üblichen Körperstellen – Schultern, Arme und Handgelenke. Als er nichts fand, ließ er seine Augen von Mandys Zehen aus langsam über deren Körper wandern.
    Am Hals wurde er fündig. Eine winzige Schwellung, die trotz der grellweißen Klinikbeleuchtung kaum erkennbar war. In dem dämmrigen Apartment war sie überhaupt nicht aufgefallen.
    »Schau mal«, sagte Striker zu Felicia. »Da, links am Hals. Über dem Schulterblatt.« Er zeigte mit dem Finger auf die Stelle.
    »Also ich seh da nichts.« Felicia schüttelte den Kopf.
    Striker nahm seinen Kugelschreiber zu Hilfe und zeigte auf eine kleine, erhabene Stelle.
    »Siehst du das?«, fragte er. »Das Gewebe ist leicht geschwollen. Es fällt kaum auf, erst wenn man es mit der anderen Schulter vergleicht, erkennt man einen Unterschied.«
    »Und, was schließt du daraus?«
    »Dass sie eine Injektion verabreicht bekam.«
    Felicia blieb skeptisch. »Bist du sicher?«
    »Absolut sicher. Und die Schwellung deutet darauf hin, dass Mandy zu dem Zeitpunkt noch lebte – sonst gäbe es keine Immunreaktion. Wenn du genauer hinschaust, siehst du die kleine Schwellung, direkt hier.«
    Felicia schüttelte den Kopf. »Seit wann hinterlassen Einstiche solche Schwellungen?«
    Striker musterte sie stirnrunzelnd. »Tun sie normalerweise nicht, es sei denn, jemand wehrt sich, und die Nadel ritzt die Haut.« In dem Augenblick zerschnitt eine Stimme, kalt wie Eisnadeln, die Luft im Raum, und er stoppte in seinen Ausführungen.
    »Sind Sie wahnsinnig! Was tun Sie da?«
    Eine sehr aufgebrachte Kirstin Dunsmuir stürmte in den Raum. Striker erkannte mit einem Blick, dass die Gerichtsmedizinerin nicht zuletzt auch an sich selbst herumschnippeln ließ. Die Segnungen der ästhetischen Chirurgie – darauf fuhr die Dame wohl total ab. Sie verschränkte die Arme vor ihren Brustimplantaten und blaffte die beiden mit ihren aufgespritzten Lippen an: »Lassen Sie gefälligst die Finger von meiner Leiche!«
    Striker zeigte auf die betreffende Stelle. »Schauen Sie doch mal kurz selbst, ja? Für mich sieht es so aus, als hätte man ihr

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