Zornesblind
sie auf das Klinikgelände ein, wo Striker spontan ein bekanntes Gesicht wahrnahm.
Constable Bernard Hamilton lehnte im Eingangsportal.
Bernard war der einzige Cop, der pastellfarbene Oberhemden unter der Uniform trug, immer tipptopp mit passender Krawatte – man gönnte sich ja sonst nichts. Außerdem hatte er sich eine lange Matte wachsen lassen, die er im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammenband – vermutlich um von seiner Stirnglatze abzulenken, ätzte Striker insgeheim.
Er mochte den Mann nicht. Bernard Hamilton war ein Typ wie Inspektor Laroche, ein Cop wie aus dem Lehrbuch, aber nur, wenn es seinen eigenen Interessen diente. Er quatschte seinen Vorgesetzten nach dem Mund, statt sich mit harter, grundehrlicher Polizeiarbeit die Finger schmutzig zu machen, und war bloß scharf darauf, Cop des Jahres zu werden und die Medaille einzusacken.
Egal ob er sie verdient hatte oder nicht.
Striker hatte dem Mann in der Vergangenheit den einen oder anderen Gefallen getan und ihn gedeckt, wenn er aus persönlichen Gründen mal einen freien Tag brauchte. So was stand natürlich nicht im Lehrbuch. Dafür und für vieles andere war Bernard Hamilton ihm noch was schuldig. Es wurde höchste Zeit, dass der Bursche sich mal erkenntlich zeigte.
Striker drehte die Scheibe runter. Eisige Luft fegte in den Wagen. Striker ignorierte die Kälte und winkte den Mann zu sich. »Bernard! Hey, Bernard !«
Hamilton blickte auf. Als er seinen Kollegen erkannte, mischte sich ein Ausdruck des Unbehagens in seine Züge. »Striker«, sagte er. »Was machen Sie denn hier?«
»Ich geh in Rente. Haben Sie in dem Bunker zufällig ein freies Zimmer für mich?« Als Hamilton keine Miene verzog, kam Striker direkt auf den Punkt. »Wir sind wegen dem Suizid von Mandy Gill hier, unten auf der Union Street.«
Bernard trat fröstelnd von einem Fuß auf den anderen und blies in seine Hände. »Ja, weiß ich. Hab den Anruf mitbekommen.«
»Was wissen Sie über Miss Gill?«
Bernard Hamilton zuckte mit den Achseln. »Vermutlich nicht mehr, als in ihrer Akte steht. Keine Angehörigen, keine Freunde. Lebte von Sozialhilfe. Litt an Depressionen. Versuchte es mit Drogen, wie fast alle in der Gegend. Sie wissen ja, wie das läuft.« Er nahm eine Packung Zigaretten aus der Brusttasche und steckte sich eine an.
»Drogen, welche?«
»Dreimal dürfen Sie raten. Crack, Heroin, Speed, das ganze Programm.«
Striker machte sich Notizen für die toxikologische Untersuchung, dann leitete er die Info an Kirstin Dunsmuir weiter. Während er den Text eingab, schaltete Felicia sich ein.
»Was ist mit dem Arzt, der Mandy behandelte – dieser Dr. Erich Ostermann?«
Bernard blies den Rauch aus seiner Lunge. »Ostermann? Kenn ich bloß vom Namen her. Soll aber ein guter Arzt sein, was man so hört. Hat EvenHealth gegründet und dafür zig Auszeichnungen abgeräumt. Jede Menge Publicity. Echt gute Sache. Brachten sie in sämtlichen Zeitungen, auch im Fernsehen. Ich glaub, sogar in den BCTV -Nachrichten.«
Der ganze Schnickschnack ließ Striker kalt, ihm ging es um Fakten. Er steckte sein Handy weg und fragte: »Was wissen Sie über Ostermanns Arbeit?«
Bernard knöpfte sein Jackett über dem hellblauen Oberhemd mit farblich abgestimmter Krawatte zu und schob sich tiefer in den Eingang. »Schweinekalt hier draußen. Können wir das nicht zu einem anderen Zeitpunkt diskutieren?«
»Beantworten Sie meine Fragen«, sagte Striker mit Nachdruck.
Bernard zog hastig an seiner Zigarette und fluchte. »Ostermann hat häufig mit Hochrisikopatienten zu tun. Mit kriminellen Wiederholungstätern. Manisch-Depressiven. Psychopathen. So was in der Art. Er praktiziert hauptsächlich im Riverglen.«
»Kann ich mal seine Akte sehen?«
Bernard schwieg für eine kurze Weile und starrte Striker verständnislos an.
»Meinen Sie seine Personalakte ?«
»Haben Sie noch andere Akten über ihn?«
Bernard schüttelte den Kopf. »Sorry, Mann, die gibt’s nicht mehr, seitdem einer von den Patienten eine Akte mitgehen ließ. Einer von den Docs beschwerte sich darüber, woraufhin der Verwaltungsrat entschied, das sei ein schlimmer Bruch der Privatsphäre. Das war vor sechs oder sieben Monaten. Daraufhin wanderten die persönlichen Daten der Mitarbeiter in den Shredder.«
»Alle?« Striker schoss Hamilton einen konsternierten Blick zu.
»Wieso interessieren Sie sich überhaupt für Dr. Ostermann?«, fragte Bernard zurück.
»Weil er mir nicht besonders kooperativ schien. Ich denke, er
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