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Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
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von Superintendent Stewart war in der sechsten Etage mit Blick über die North-Shore-Berge. Als Striker an die Tür klopfte, ging hinter den Gipfeln soeben die Sonne auf und tauchte die gesamte Skyline in ein winterlich verwaschenes Blau.
    Es war acht Uhr.
    Als sie das Büro betraten, saß der Superintendent am Schreibtisch hinter einem Stapel Ordner und einem Berg Schriftstücke. Er hatte eine Tasse Kaffee vor sich stehen und einen Teller mit einem Gebäckrest. Er schob den Teller von seinem imposanten Bauch weg und wischte sich die Krümel aus dem Schnauzbart.
    »Morgen, Sir«, sagten beide wie auf Knopfdruck.
    »Schiffswrack«, grinste Stewart. »Mann, ist schon ’ne ganze Weile her mit uns beiden.«
    Der Superintendent fing den verblüfften Blick auf, den Felicia Striker zuwarf. Woraufhin er erklärte: »Ihr Partner und ich sind zusammen Streife gefahren. Wie lange war das – zwei Jahre?«
    »Kam mir wie zweitausend vor.«
    Stewart entfuhr ein tiefes, bellendes Lachen. »Dann ging unser Mr. Heißsporn hier zum Morddezernat.«
    Striker zeigte auf die Orden seines früheren Kollegen. »Immerhin trag ich kein Lametta.«
    Stewart wackelte mit den Brauen. »Jaja, vielleicht warst du cleverer als ich. Mann, sieh dir dieses Chaos an.« Er gestikulierte in Richtung der Ordnerstapel auf seinem Schreibtisch. »Das da ist alles CompStat. Zum Kuckuck damit! Ein Meeting jagt das nächste. Statistiken für die Stadtverwaltung.«
    Striker wand sich innerlich bei der Vorstellung. Er hatte seinen früheren Kollegen einmal zu einem CompStat-Meeting begleitet, und es war grottenlangweilig gewesen. Zudem wurden die Statistiken nach Bedarf geschönt, darin waren manche Chiefs wahre Weltmeister.
    Wer’s mag, dachte er bei sich. Was Striker betraf, hatte die Hölle drei Räume: einen mit glühender Lava, einen mit Messern und einen, wo die CompStat-Meetings stattfanden.
    Superintendent Stewart erhob sich hinter dem Schreibtisch und hielt Felicia die Hand hin. Dabei wurde seine beachtliche Leibesfülle sichtbar. Der Bauch hing über dem Gürtel, seine runden, rosigen Kinnbacken verzogen sich zu einem Grinsen. Der hat in diesem Job bestimmt fünfzig Kilo Hüftgold angesetzt, schmunzelte Striker stumm in sich hinein.
    Felicia schüttelte ihm die Hand und setzte sich neben Striker.
    »Also, was führt euch in die sechste Etage?«, wollte Stewart schließlich wissen.
    Striker erzählte ihm die ganze Geschichte und ließ nichts aus. Mit jedem Detail verhärtete sich die Miene des Superintendent. Seine joviale Laune verlor sich, und man merkte ihm zusehends an, dass er unter hohem Blutdruck und erhöhten Cholesterinwerten litt.
    »Kannst du uns die Datei zugänglich machen?«, bat Striker.
    Stewart strich mit den Fingern über seinen graumelierten Schnäuz und nickte vage. »Kann ich«, meinte er bedächtig. Er blickte gedankenvoll auf den Computermonitor und dann von Striker zu Felicia. »Für so was ist normalerweise ein Haufen Papierkram erforderlich. Wozu braucht ihr denn die Information?«
    »Dich interessiert in dem Zusammenhang, ob wir die Frau für irgendwas belangen wollen?«, hakte Striker nach.
    »Exakt.«
    »Nein. Uns ist lediglich daran gelegen, Larisa zu finden. Dann wäre uns wohler. Bisher stehen wir allerdings mit leeren Händen da. Wir hoffen, dass uns ihre Unterlagen weiterhelfen können – dass wir zumindest eine Ahnung bekommen, was momentan in ihrem Kopf vorgeht. Sonst kommen wir nicht weiter. Und um ehrlich zu sein, mach ich mir große Sorgen, dass sie aufgrund unserer Ermittlungen in Gefahr schweben könnte oder sich womöglich selbst in Gefahr bringt.«
    Stewart nickte. Er loggte sich in das System ein, lud die Datei hoch und druckte sie aus. Dann steckte er den Ausdruck in einen Dienstumschlag, den er Striker hinhielt. Als der Detective danach griff, hielt Stewart ihn weiter fest.
    »Ich muss dich nicht daran erinnern, dass das extrem sensible Daten sind, oder?«
    »Nein, das wandert alles in den Schredder, sobald wir damit durch sind.«
    »Du schredderst das Zeug persönlich, Schiffswrack, ist das klar?«
    »Sonnenklar.«
    Stewart ließ widerstrebend das Kuvert los. Striker gab es an Felicia weiter und stand auf. »Wir waren nie hier«, erklärte er.
    »Und ich weiß von nichts«, erwiderte Stewart.
    Striker grinste und folgte seiner Kollegin aus dem Büro.
    Nachdem sie wieder im Wagen saßen, fuhr Striker ein paar Blocks weiter und hielt am Jonathan Rogers Park auf der Manitoba Street. Felicia öffnete den

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