Zornesblind
gellte er. Dabei hob er die Waffe.
Striker drückte auf den Abzug. Er feuerte eine weitere Salve ab. Dann noch eine und noch eine. Die erste erwischte Billy an der Schulter; die zweite ging durch seine Brust und trat im Rücken wieder aus.
Billy ließ seine Waffe fallen und landete mit einem weichen Klatschen auf dem Asphalt. Sein Kopf sank zurück, er zuckte für einen kurzen Moment, dann lag er still.
Striker lief zu ihm, kickte dessen Waffe über die Straße. Es war ein schwarzer Revolver. Keine Polizeipistole. Der Detective schob ein Knie auf Billys Rücken, presste ihn zu Boden. Durchsuchte ihn nach weiteren Waffen.
Nichts. Ein Schwall Blut pulste aus Billys Verletzungen.
»… Dämonen …«, krächzte der Mann ein letztes Mal, seine Stimme zart und entrückt, bevor er starb.
Striker sprang auf und suchte mit Blicken nach Felicia. Sie lag halb gekrümmt auf der Seite und versuchte aufzustehen. Ihre Haare verdeckten ihr Gesicht, ihre Waffe lag einen guten halben Meter entfernt von ihr.
Sie robbte eben dorthin.
»Warte! Ich komme!«, rief Striker.
Er stürmte zu ihr. Fasste sie an den Schultern. Drehte sie auf den Rücken. Fest damit rechnend, dass sie jede Menge Blut verloren hatte.
Falsch gedacht.
»Meine Rippen«, stöhnte sie. »Meine verdammten Rippen .«
Sein Blick schoss automatisch zu ihrer Brust, auf die zerrissene Weste. Als er den verbeulten Stahlkern unter der Ummantelung bemerkte, seufzte er erleichtert auf.
»Er hat auf mich gezielt«, sagte Felicia fassungslos. »Der Wichser hat voll auf mich gezielt.«
Striker schwieg für einen langen Augenblick und starrte sie mit entsetzt geweiteten Augen nur an. Den schluchzend am Boden liegenden Ostermann und den toten Billy ausblendend, zog er Felicia in seine Arme.
»Ich dachte, ich hätte dich verloren. Gütiger Himmel, ich dachte, ich hätte dich verloren«, wiederholte er immer wieder.
55
Zwanzig Minuten später saß Felicia mit Dr. Ostermann und zwei Sanitätern im Krankenwagen. Die erste Diagnose war weniger schlimm als von Striker befürchtet: Sie hatte anscheinend keine Rippe gebrochen, Genaueres würde die Röntgenuntersuchung ergeben. Immerhin jedoch hatte sie starke Schmerzen.
Während ein Sanitäter Felicias Rippenbogen abtastete, lehnte Dr. Ostermann sich neben ihr zurück. Er hatte die Augen geschlossen und atmete schwer und ungleichmäßig. Er wischte sich mit dem Unterarm die verschwitzte Stirn. »Mir ist … schlecht«, sagte er schwach, bevor er sich in die Tüte erbrach, die ein Arzt ihm gegeben hatte.
Striker beobachtete Ostermann. Er schien völlig verändert gegenüber früher. Schwächer. Älter. Gebrechlich.
»Es ist vorbei«, erklärte Striker ihm.
Als Dr. Ostermann nicht reagierte, wandte Striker sich Felicia zu. Sie stöhnte zwar, als der Sanitäter sie untersuchte, schenkte ihrem Kollegen aber trotzdem ein gequältes Lächeln.
»Bist du okay?«, wollte Striker mindestens zum zehnten Mal von ihr wissen.
»Geh mal lieber und untersuch den Tatort oder so.«
»Ich gehe erst, wenn ich weiß, dass du okay bist.«
»Also wirklich, Jacob. Los, verschwinde, und kümmere dich um den Tatort.«
Er reagierte zunächst nicht. Er stand bloß da und schaute sie an.
Sie zu verlieren: Der Gedanke war ihm unerträglich. Verdammt, er hätte sie fast verloren.
Schließlich schüttelte er wie benommen den Kopf. »Ich werd mal sein Apartment checken«, sagte er.
Felicia schien erleichtert. »Tu das.«
Striker schloss die Türen des Krankenwagens. Bevor er ging fiel sein Blick auf den toten Billy Mercury, der lang hingestreckt auf dem Asphalt lag. In einem dunkel glitzernden, ovalen See aus Blut, sein Gesicht und seine Arme erschreckend blass. Blutleer.
Striker trat zu ihm. Er beugte sich über den Toten und betrachtete dessen Gesicht. Selbst im Tod sah Billy Mercury krank aus. Nein, richtig grausig. Die hochgezogenen Lippen entblößten gelbe, schief stehende Zähne, seine Pupillen waren schwarz und viel zu groß. Wie bei einer Puppe.
Dämonen , hatte der Kerl gesagt.
Striker schüttelte den Kopf. Billy Mercury war Kriegsveteran. Er hatte gekämpft. Und war daran zerbrochen. Es war traurig, wirklich traurig. Im Grunde genommen konnte der Mann nichts für seine psychischen Probleme. Dämonen hatte es viele in Billy Mercurys Leben gegeben.
Aber jetzt war es vorbei.
Striker blickte zu der Polizistin, die neben dem Toten stand. Eine junge Frau, höchstens dreiundzwanzig.
»Wer hat Mercurys Waffe an sich genommen?«,
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