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Zorngebete

Zorngebete

Titel: Zorngebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Heymann
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gehasst. Das Allerschlimmste war das leichte Zögern in seiner Handbewegung, als ich ihm den Batzen Geld hingehalten habe. Er sagt, ich bin eine Heilige, seine Lieblingstochter, sein Schatz, ihrer aller Wohltäterin. Fast hätte ich Lust, ihm zu sagen, dass ich mich vollscheißen lassen musste, nur damit er sich seine Satellitenschüssel kaufen konnte. Fast.
    Ich hasse ihn. Allah, ist das schlimm? Ist das eine Schande? Ist das schlecht? Was ist das schlimmste Übel, Allah, Nutte zu sein oder seinen Vater zu hassen? Sag bitte nicht, alles beides, das halte ich heute nicht aus.
Ich
glaube, dass keins von beiden von Grund auf schlimm ist, natürlich auch nicht gut, es ist eben so, das ist alles. Ich bin Nutte, weil es nun mal so ist, und ich liebe meinen Vater nicht, weil das nun mal auch so ist.
    Allah, ich habe noch eine Frage: Wer wird für mein Baby büßen? Ich oder mein Vater? Schnell, ich vergesse es.
    Als er damit fertig ist, mir Honig ums Maul zu schmieren, und das Geld in seiner stinkenden Socke verstaut hat, tut er so, als interessiere er sich für mein Leben und als glaube er, was ich erzähle. Meine Mutter sagt bei jedem meiner Worte Gebete auf und streichelt mir über den Kopf, wobei sie Segnungen ausspricht. Sie glaubt daran. Sie jedenfalls glaubt alles.
    Nachdem ich ihnen von meinem idealen Leben erzählt habe, zieht mein Vater ein kleines Geschenk aus der Tasche. Eine vergoldete Dose. Er reicht sie mir. Ich mache sie auf. Es ist ein Haar darin. Ja, ein Kopfhaar oder ein Barthaar, ich weiß es nicht. Es sieht seltsam aus. Ich betrachte es. Alle schauen hin und warten darauf zu erfahren, was es ist. Er macht es spannend, dieser Depp. Und sagt zu mir:
    – Das ist für dich, meine Tochter. Ich habe es beim
fkih
gekauft. Es ist ein geweihtes Haar. Es ist das Haar des Propheten, Friede seiner Seele. Das ist für dich, meine Tochter.
    Meine Mutter nimmt ihre Gebete wieder auf, mit noch mehr Inbrunst. Nicht eine Sekunde lang fragt sie sich, wie das Haar des Propheten, Friede seiner Seele, in Tafafilt gelandet sein kann, am Arsch der Welt. Wenn ich hiergeblieben wäre, hätte ich dann auch daran geglaubt? Wahrscheinlich. Das entsetzt mich. Ich bin zwar jetzt Nutte, aber immerhin stelle ich mir Fragen.
    Ich frage meinen Vater, wieviel ihn das gekostet hat, ein so heiliges Geschenk, er antwortet mir »400 Dinar«. Ich habe eine Wahnsinnslust, ihn zu schlagen, mitten ins Gesicht, genau dahin. 400 Dinar, das kriege ich für einen halben Blowjob, ungefähr.
    Ich sehe ihn an. Er erwartet ein Lächeln, auch das noch. Ich habe eine Horrorvision vor mir, mein Vater, der mir eine Freude machen will, meine Mutter, die es nicht fassen kann, dass sie das Haar des Propheten, Friede seiner Seele, zum Greifen nahe vor sich hat, und meine Geschwister, die herumquengeln, damit sie es auch einmal anfassen dürfen.
    Bin ich die einzige, die sieht, dass das bestenfalls ein Arschhaar des
fkih
ist, VERDAMMT NOCHMAL?!
    Da ich aber nur für ein paar Stunden dort bin, ziehe ich vor, es zu nehmen, ein Lächeln zu heucheln und »Danke« zu sagen. Das ist hart. Aber wozu soll es gut sein, ihm klarzumachen, dass er ein Trottel ist? Dass er mein Baby in meinem Bauch geschlagen und dafür nie um Verzeihung gebeten hat. Dass er mich rausgeschmissen hat wie eine Hündin und dass die Hunde mich hereingelegt haben.
    Ja, es ist seine Schuld. Nicht meine.
    Warum muss ich ausgerechnet von hier kommen? Warum bin ich nicht Lalla Nawja? Warum ist mein Vater mein Vater? Warum? Warum nur?
    Wenn Du mir keine Antworten geben kannst, dann hast Du mir auch keine Befehle mehr zu erteilen! Ich bin zornig. Am liebsten möchte ich sterben.
    Ich habe es satt, über sie zu sprechen. Das Elend ist hässlich, es ist schmierig, es ist schmutzig, es ist gefährlich und abartig, mein Vater ist erbärmlich, er ist all das. Er ist nichtswürdig, igitt, er widert mich an. Er macht mir ein Geschenk, damit ich noch besser als Nutte arbeiten kann, er segnet mich, damit ich mich noch mehr vögeln lasse, er fleht mich an, aber er bittet nicht um Verzeihung. Ich hasse ihn von ganzem Herzen, und ich hasse mich dafür, von ihm abzustammen.
    Er ist eine Ratte. Ich liebe ihn nicht. Ich will nicht mehr über ihn sprechen.
    Und ich will auch nicht mehr über meine Mutter sprechen, die immer leise weint und so tut, als sei es wegen der Zwiebeln. Denn sie kocht in einer Tour. Sie tut nichts anderes. Und das macht sie schlecht. Inzwischen weiß ich, das, was sie macht, ist nicht gut.

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