Zu cool für dich
wirklich verheiratet zu sein.«
O je, dachte ich, und leise bimmelte ein Alarmglöck chen in meinem Kopf. »Ihr seid doch erst ein paar Monate verheiratet.«
»Genau«, antwortete sie. »Und während ich weg war, wurde mir klar, dass wir uns auf unsere Ehe konzentrieren müssen. Die Arbeit kann warten. Mein Leben lang habe ich meine Prioritäten anders gesetzt, was vermutlich ein Fehler war. Aber dieses Mal passiert mir das nicht. Ab jetzt wird alles besser, ich weiß es.«
Okay. Das klang wirklich anders als sonst. Und gar nicht mal schlecht. »Super, Mom.«
Sie lächelte mich erfreut an. »Ich meine das ernst, Remy. Es mag Schwierigkeiten gegeben haben, sich aneinander zu gewöhnen. Doch diese Ehe wird halten. Denn endlich ist mir bewusst geworden, was es bedeutet, einem anderen Menschen ein echter Partner zu sein. Und das fühlt sich wunderbar an.«
Sie wirkte so glücklich mit dieser neuen Erkenntnis, mit dieser Veränderung. Als ob sie im Flugzeug irgendwo hoch oben über der Südostküste der USA endlich die Antwort auf die Fragen gefunden hatte, über die sie sich seit ewigen Zeiten vergeblich den Kopf zerbrochen hatte. Meine Mutter hatte sich immer gedrückt, sobald in einer Beziehung die Schwierigkeiten begannen; sie hatteeinfach keine Lust, sich mit Details abzugeben, weder in der Liebe noch in Alltagsdingen. Aber vielleicht än derten Menschen sich ja doch.
»Ich kann es gar nicht erwarten, ihn wiederzusehen.« Sie nahm ihre Handtasche. »Ich fahre schnell zum Geschäft rüber und bringe ihm Lunch. Er freut sich immer so, wenn ich das mache. Aber falls er anruft, verrate ihm nichts, bitte. Ich möchte ihn überraschen.«
»Klar«, sagte ich. Sie warf mir eine Kusshand zu und rauschte ab. Irgendwie berührte es mich – eine Liebe, die so stark war, dass man nicht mal mehr ein paar Stunden warten aushielt. Ich hatte noch nie so starke Gefühle für jemanden gehabt. Schon nett, dieses dringende Bedürfnis, jemandem genau jetzt, in dieser Sekunde, etwas sagen zu müssen. Fast romantisch. Falls man auf Romantik stand.
Als ich am nächsten Morgen wegen Lolas allmorgendlichem Cappuccino bei
Jump Java
Schlange stand, sah ich, wie der weiße
Truth-Squad -Minibus
auf den Parkplatz tuckerte und unter dem üblichen Geratter in der Feuerwehrzufahrt hielt. Ted sprang raus, kam in den Coffeeshop und zog dabei ein paar zusammengeknüllte Dollarscheine aus der Tasche.
»Hi«, begrüßte er mich.
»Hi«, grüßte ich zurück, tat allerdings so, als wäre ich völlig in die Lektüre eines Zeitungsartikels über die Neuordnung von Wahlbezirken in unserer Region vertieft.
Die Schlange war lang und voll mit Leuten, die so spezielle Kaffeewünsche hatten, dass ich schon beim Zuhören Kopfschmerzen bekam. Scarlett stand grimmigam Espressoautomaten und versuchte mit einer Bestellung von mehreren extragroßen Milchkaffees (aber mit fettfreier Sojamilch, bitte) fertig zu werden.
Ted stand etwas weiter hinten in der Schlange. Doch weil der Typ hinter mir anscheinend keinen Bock mehr hatte zu warten und einfach ging, rückte Ted vor, so dass wir nun direkt nebeneinander standen und gar keine andere Chance mehr hatten, als Konversation zu betreiben.
»Lucas hat mir erzählt, ihr habt ein Meeting mit den Leuten von
Rubber Records
?« Mein Einstiegsbeitrag.
»Ja, heute Abend, in Washington. In einer Stunde fahren wir los.«
»Echt?« Wir durften etwa drei Zentimeter vorrücken.
»Ja. Sie wollen, dass wir in ihrem Studio vorspielen. Und dann – falls sie uns reinquetschen können – auch noch bei so einer Sache am Donnerstag, wo junge, unbekannte Talente auftreten. Wenn sie auf uns abfahren, organisieren sie uns danach wahrscheinlich einen festen Gig in Washington oder Umgebung.«
»Ist doch toll.«
Ein Achselzucken. »Falls sie auf unsere Sachen stehen. Sie verlangen nämlich ständig, dass wir Coversongs spielen. Ich stehe allerdings auf dem Standpunkt, das ist mit unserer Integrität als Band nicht vereinbar.«
»Ach so.«
»Die drei Kollegen würden alles tun, nur um unter Vertrag zu kommen, aber ich sehe das anders. Es geht um mehr. Um Musik, Mann. Um Kunst und individuellen künstlerischen Ausdruck. Nicht bloß um Management, Vermarktung, Image, den ganzen kommerziellen Scheiß.«
Ein Geschäftsmann vor uns, der das
Wall Street Journal
las, warf uns einen irritierten Blick zu, doch Ted starrte ihn so lange nieder, bis er sich wieder abwandte.
»Also spielt ihr das
Kartoffel-Opus
?«, fragte
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