Zu cool für dich
Papiertüchern aus und sortierte meine Rechnungen so, dass alle mit der Vorderseite nach oben und nicht mehr wild durcheinander lagen.
Die ganze Woche über machte ich Listen und hakte ab, was ich erledigt hatte. Und am Ende eines jeden Tages war ich von einem tiefen Gefühl der Zufriedenheit über alles, was ich wieder geschafft hatte, erfüllt; dieses Gefühl wurde nur von der ungeheuren Müdigkeit übertroffen, die mich gleichzeitig jeden Abend überfiel. Aber genau das, sagte ich mir, hatte ich immer gewollt: einen sauberen Abgang ohne Haken, Ösen, Probleme, jeder t-Strich und i-Punkt an seinem Platz. Es gab nur noch ein paar Sachen ab- und einige lose Enden aufzuwickeln. Aber ich hatte bereits einen genauen Plan, wie ich vorgehen würde. Jeder Schritt war klar vorgegeben und durchnummeriert. Und ich hatte noch genügend Zeit.
»O je«, meinte Jess mit düsterer Miene. »Den Blick kenne ich.« Wir saßen im
Bendo
.
Chloe blickte auf den Datumsanzeiger ihrer Uhr. »Ja, der Zeitpunkt stimmt ungefähr. In drei Wochen fährst du ab.«
»Nein!« Jetzt kapierte auch Lissa, worum es ging. »Nicht Paul. Noch nicht.«
Achselzuckend malte ich mit meinem Bierglas Kreise auf die Tischplatte. »Ich finde aber, es ergibt Sinn. Die Zeit, die mir bleibt, möchte ich mit euch verbringen. Und mit meiner Familie. Warum soll ich es unnötig hinauszögern und darauf ankommen lassen, dass ich am Ende eine herzzerreißende Abschiedsszene am Flughafen hinlegen muss?«
»Gutes Argument«, meinte Chloe. »Flughafenstatus hat er nicht verdient. So toll war er nun auch wieder nicht.«
»Ich mag Paul«, sagte Lissa. »Er ist nett.«
»Ja, aber sein Verfallsdatum läuft ab. Meines für ihn übrigens auch«, erwiderte ich.
Chloe hielt prostend ihr Bier hoch. »Auf Paul! Willkommen im Club.«
Als wir tranken, fiel mir plötzlich wieder ein, was Dexter auf dem Parkplatz vorm
Quik Zip
zu mir gesagt hatte. Nämlich dass er das gleiche Ende genommen hät te wie der Typ vor oder der Typ nach ihm. Und es stimmte. Er war nur ein kurzes Intermezzo zwischen Jonathan, dem Jämmerlichen, und Paul, dem Perfekten, gewesen. Eine von vielen Sommeraffären, die ich bald vergessen würde.
Oder etwa nicht? Dexter ging mir nicht aus dem Kopf. Was sicher daran lag, dass es zwischen uns schlecht ausgegangen war, obwohl wir uns ums Gegenteil bemüht hatten. Er gehörte zu den Dingen, die nicht wie geplant liefen. Ich konnte ihn nicht einfach abhaken wie anderes auf meiner Liste, obwohl ich das nur zu gern getan hätte.
Paul hingegen bewegte sich langsam, aber sicher auf den Punkt zu, an dem ich ein Häkchen hinter seinen Namen machen konnte. Das hatte sich allerdings erst in den letzten Tagen deutlich abgezeichnet; andererseits war ich ehrlich gesagt von Anfang an nicht mit ganzem Herzen bei der Sache gewesen. Und das lag nicht an Paul. Vielleicht war ich auch einfach ausgelaugt und brauchte eine Pause anstatt ständig was Neues mit neuen Typen anzufangen. Mit Paul hatte ich zwar alles gemacht, was man eben so machte – essen gehen, reden, mit Freunden abhängen, in seinem oder meinem dunklen Zimmer rumknutschen. Aber alles nur mechanisch,ohne wirklich bei der Sache zu sein (sogar beim Rumknutschen nicht). Manchmal, wenn er nicht bei mir war, hatte ich sogar Mühe, mir vorzustellen, wie er eigentlich aussah. So gesehen schien es mehr als angemessen, einen sauberen, klaren Schlussstrich zu ziehen.
»Der Lover-Club.« Jess lehnte sich auf der Bank zurück. »Echt krass. Mit wie vielen Typen war Remy im Laufe der Jahre wohl zusammen?«
»Hundert«, platzte Lissa heraus, duckte sich aber vorsichtshalber, als sie meinen Blick bemerkte. »Ich meine, keine Ahnung.«
»Fünfzig«, entschied Chloe. »Auf keinen Fall weniger.«
Die drei sahen mich an. »Keinen Schimmer«, meinte ich. »Warum reden wir überhaupt über das Thema?«
»Weil es gerade dran ist. Weil du bald von hier abhaust und deine Erfahrungen mit Männern nicht mehr nur in unserer Stadt, sondern im ganzen Land verbreiten wirst ...«
Jess musste herzlich lachen.
»... und deswegen ist es nur angemessen, wenn wir kurz die Hitliste deiner Vergangenheit durchgehen, bevor du dich auf den Weg in die Zukunft machst«, schloss Chloe.
»Bist du betrunken?«, fragte ich sie.
Chloe ignorierte mich. »Nummer eins – Randall Baucom.«
»Randall«, wiederholte Lissa seufzend. »In den war ich auch verknallt.«
»Das war im sechsten Schuljahr«, sagte ich. »Wie weit zurück willst
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