Zu cool für dich
von meiner geliebten Cola light. »Heute Abend brauche ich das.«
Jess trat ein wenig aufs Gaspedal.
»Bist du so weit?«, fragte sie.
Ich nickte und machte meinen Colabecher startklar. Perfekt.
Auf einmal trat Jess das Gaspedal durch, der Wagen schoss vorwärts. Und als Adam uns bemerkte, war es zu spät.
Mein bester Wurf war es nicht. Aber auch kein ganz schlechter. Während wir vorbeidüsten, flog der Becher durch die Luft, drehte sich schwerelos ein paarmal um sich selbst und traf ihn mitten am Hinterkopf. Cola light und Eisstückchen ergossen sich über seinen Rücken.
»So eine verfluchte Scheiße!«, brüllte er uns nach, als wir davondüsten. »Lissa! Verdammt! Remy! Blöde Schlampe!«
Ich hörte ihn noch brüllen, als er längst nicht mehr zu sehen war.
Nach anderthalb Packungen Prinzenrolle, vier Zigaretten und ausreichend Papiertaschentüchern, um die ganze Welt damit auszupolstern, schaffte ich es endlich, Lissa zum Schlafen zu bewegen. Und dann pennte sie natürlich auf der Stelle ein. Lag gemütlich auf meinem Bett, die Beine in meiner Daunendecke verheddert, und atmete tief durch die Nase.
Ich schnappte mir eine Ersatzdecke nebst Kissen und legte mich in meine Kleiderkammer. Von meinem improvisierten Schlafplatz aus hatte ich Lissa im Blick und vergewisserte mich, dass sie fest schlief, bevor ich denStapel Schuhkartons, der rechts in der hinteren Ecke stand, beiseite schob und das Handtuchbündel hervorzog, das ich dort aufbewahrte.
Ich hatte einen extrem miesen Abend hinter mir. Das, was ich jetzt vorhatte, gestattete ich mir nicht oft; aber an manchen Abenden brauchte ich es einfach. Kein Mensch wusste davon.
Ich rollte mich zusammen, zog mir die Decke über den Kopf und schlug das Handtuch auseinander, darin: mein Discman. Ich setzte den Kopfhörer auf, schaltete das Licht aus und stellte Track Nummer sieben ein. In meiner Kleiderkammer gibt es ein Fenster in der Decke; wenn ich mich an die richtige Stelle lege, werde ich von einem Mondlichtviereck beschienen. Manchmal sehe ich sogar Sterne.
Das Lied beginnt sehr langsam. Ein paar Gitarrenakkorde, dann eine Stimme – die mir so vertraute Stimme. Ich kannte den Text auswendig. Er bedeutete mir etwas. Was niemand wissen muss. Aber die Worte bedeuten mir wirklich etwas.
Ein Wiegenlied aus wenig Worten
Aus ein paar einfachen Akkorden –
Still ist es hier im kahlen Raum.
Und doch wirst du es hören,
Wo immer du auch hingehst.
Selbst wenn ich dich verlasse,
Dies Wiegenlied klingt fort.
Ich würde zum Klang seiner Stimme einschlafen. Ich schlief immer ein. Jedes Mal.
Kapitel Drei
A aauuuuueiiiiiiaaaauuu!«
»Himmelnochmal!«
»Verflixt und zugenäht!«
Die beiden Frauen, die im Rezeptionsbereich saßen und auf ihre Maniküretermine warteten, sahen erst einander und dann mich an. »Bikinizone enthaaren. Mit Heißwachs«, erläuterte ich.
»Oh«, meinte die eine und vertiefte sich wieder in ihre Zeitschrift. Die andere hingegen blieb aufrecht sitzen, die Ohren aufgestellt wie ein Jagdhund, und wartete auf den nächsten Schrei. Es dauerte auch nicht lang, bis Mrs Michaels, die gerade ihren allmonatlichen Heißwachstermin über sich ergehen ließ, den nächsten Schmerzenslaut ausstieß.
»Verd ...!« Mrs Michaels war Pastorengattin und liebte Gott fast so sehr wie einen glatten, haarlosen Kör per . Mittlerweile jobbte ich seit einem Jahr im
Joie Salon
; während der Zeit hatte ich aus der hintersten Behandlungskabine, wo Talinga mit ihren Wachsstreifen hantierte, mehr Flüche gehört als aus allen anderen Kabinen zusammen, kniffelige Maniküren und verpfuschte Haarschnitte mit eingeschlossen. Ganz zu schweigen von derFrau, die fast durchgedreht war, nachdem ihre gesamte Hautoberfläche nach einem Seetang-Bodywrap die Farbe von Limonentorte angenommen hatte. Aber Talingas Kundinnen übertrafen alle anderen bei weitem.
Dabei war es nun wirklich nicht so, dass im
Joie Salon
Stümper oder Pfuscher am Werk gewesen wären. Aber sobald es ums Aussehen geht, kann man es einfach nicht jedem recht machen, vor allem Frauen nicht. Deshalb hatte Lola, die Besitzerin des
Joie
, auch gerade erst meinen Lohn erhöht, in der stillen Hoffnung, ich würde vielleicht – vielleicht, vielleicht – doch noch von meinem Plan, in Stanford zu studieren, Abstand nehmen, für immer ihre Rezeptionistin bleiben und die Kundinnen so gut im Griff behalten, wie ich sie nun einmal im Griff hatte.
Den Job hatte ich mir gesucht, weil ich ein
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