Zu cool für dich
zögerte. »Ginge es nicht früher, das wäre nämlich besser, weil ich noch ...«
»Halb vier«, wiederholte ich, wobei ich die Wörter besonders betonte. »Ja oder nein?«
Kurze Pause. Ein paar aufgeregte Atemzüge. Dann antwortete sie: »Ich bin um halb vier da.«
»Gut, bis später.«
Ich legte auf und schrieb ihren Namen mit Bleistift in den Terminkalender. Talinga warf mir einen Blick zu: »Mädchen, du bist echt ein harter Brocken.«
Kunststück, dachte ich und zuckte die Achseln. Ich konnte mit diesen Tussen deswegen so gut umgehen, weil die meisten von ihnen die gleiche egozentrische Ich-will-alles-und-zwar-genau-dann-wenn-ich-es-will-Einstellung hatten wie meine Mutter. Damit klarzukommen hatte ich eben gelernt. Diese Sorte Frauen hielt sich nicht an die Regeln, platzte einfach in Termine anderer hinein, wollte ständig was für lau rausschlagen und trotzdem von allen geliebt werden. Deshalb war ich so gut in meinem Rezeptionistinnenjob – aufgrund lebenslanger persönlicher Erfahrung.
In der darauf folgenden Stunde lotste ich die beiden wartenden Frauen zu ihren jeweiligen Maniküreterminen, bestellte Lunch für Lola, ordnete die Belege vomVortag und lauschte zwischen zweimal Augenbrauen wachsen und einmal Achselhaare entfernen Talingas ausführlichem Bericht über ihr jüngstes desaströses Blinddate. Gegen zwei Uhr wurde es endlich ein wenig ruhiger. Ich saß an der Rezeption, trank Cola light und blickte durchs Fenster auf den Parkplatz.
Joie Salon
lag in einem Edeleinkaufszentrum namens
Mayor’s Village
. Dort war zwar auch alles aus Beton und direkt an der großen Durchfahrtsstraße; doch immerhin hatte man einen Brunnen und ein paar sorgfältig beschnittene Bäume aufgestellt, so dass es etwas schicker aussah als die üblichen Einkaufszentren in den Vorstäd ten . Rechts vom
Joie
war
Mayor’s Market
, eine Kombi aus Supermarkt und Bioladen, ziemlich teuer; außerdem gab es unter anderem einen Coffeeshop, der zur
Jump-Java -Kette
gehörte, einen Videoverleih, eine Bank und einen Fotoexpressladen,
Flash Camera
.
Ich sah also gerade durchs Fenster, als ein verbeulter weißer Minibus vor
Gone to the Birds
hielt, dem Vogelfutterspezialgeschäft von
Mayor’s Village
. Die Türen des Minibusses öffneten sich, vorn wie hinten, und drei Typen, etwa in meinem Alter, stiegen aus. Alle drei trugen weiße Hemden, Schlipse und Jeans. Einen Augenblick lang steckten sie die Köpfe zusammen und besprachen irgendetwas. Dann steuerte jeder von ihnen ein anderes Geschäft an. Der Kleinste, ein rothaariger Lockenkopf, kam in unsere Richtung. Beim Gehen stopfte er sich sorgfältig das Hemd in die Jeans.
Wir hatten zwar ein hübsches Schild im Schaufenster, auf dem BITTE KEINE VERTRETERBESUCHE stand. Dennoch musste ich ständig irgendwelche Menschen verscheuchen, die Süßigkeiten oder Bibeln verkaufenwollten. Ich nahm noch einen Schluck Cola und machte mich innerlich bereit für das, was jetzt kam. Da klingelte auch schon die Türglocke.
Der Typ betrat den Salon und kam direkt auf mich zu: »Hallo!« Wie viele Rothaarige hatte er Unmengen Sommersprossen, aber seine Augen waren von einem attraktiven Dunkelgrün und sein Lächeln nicht ohne Charme. Das weiße Hemd allerdings stammte vermutlich aus einem Secondhandladen; außerdem bemerkte ich nach näherer Betrachtung einen Fleck auf der Brusttasche. Und der Schlips war eindeutig ein Ansteckschlips!
»Hi, kann ich dir irgendwie weiterhelfen?«, fragte ich.
»Stellt ihr zurzeit irgendwen ein?«
Ich starrte ihn an. Im
Joie Salon
arbeitete kein einziger Mann. Nicht, weil Lola aus Prinzip etwas dagegen gehabt hätte; aber es ist nun einmal so, dass Männern diese Art Arbeit nicht besonders liegt. Es hatte mal einen männlichen Friseur namens Eric gegeben; der wanderte allerdings Anfang des Jahres zur Konkurrenz ab und nahm dabei außerdem eine unserer besten Kosmetikerinnen mit. Seitdem stand
Joie Salon
vollständig unter Östrogen-Herrschaft.
»Nein, wir haben momentan keinen Bedarf an zusätz lichen Mitarbeitern.«
»Sicher?«
»Ganz sicher.«
Er schien mir nicht glauben zu wollen, strahlte mich unverdrossen weiter an und meinte liebenswürdig: »Könnte ich vielleicht trotzdem ein Bewerbungsformular ausfüllen? Nur für den Fall, dass irgendwann irgendwas frei wird?«
»Klar.« Ich öffnete die untere Schublade, wo wir die Formulare aufbewahrten, und gab ihm eins, zusammen mit einem meiner Stifte.
»Vielen Dank.« Er setzte sich am Schaufenster
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