Zu cool für dich
drückte mich in die Kissen, bevor ich überhaupt eineChance hatte, mich langsam an das Thema heranzutasten, das anstand. Doch jetzt hatte ich endlich seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Es geht um Folgendes«, begann ich. »Bei mir wird sich in nächster Zeit einiges ändern.«
Meine übliche Einleitung. Ich hatte im Laufe der Jahre gelernt, dass es diverse Techniken gab, um mit je mandem Schluss zu machen. So wie es unterschiedliche Typen Mann gab. Einige wurden sauer, regten sich voll auf; andere jammerten rum, fingen womöglich an zu flennen; wieder andere machten einen auf cool, taten, als wäre es ihnen völlig egal, als könnte man gar nicht schnell genug verschwinden. Meiner Einschätzung nach gehörte Jonathan zur letzteren Kategorie, doch sicher war ich mir nicht.
»Jedenfalls«, fuhr ich fort, »habe ich mir gedacht, dass ...«
Das Klingeln des Telefons unterbrach mich; meine mühsam aufgebaute Einleitung fiel in sich zusammen, ffft, wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht. Jonathan griff nach dem Hörer: »Hallo?« Es folgten ein paar Mmmhs und Jas, dann stand er auf, durchquerte das Zimmer und verschwand mitsamt Telefon im Bad, wobei er weiter vor sich hin brabbelte.
Ich fuhr mir durch die Haare. So was Bescheuertes! Schon den ganzen Abend über stimmte mein Timing nicht. Von nebenan ertönte gedämpft Jonathans Stimme. Ich schloss die Augen und dehnte meine Arme über den Kopf. Schließlich umfasste ich mit beiden Händen das Kopfende der Matratze hinter mir an der Wand. Und da berührte ich etwas.
Als Jonathan endlich fertig telefoniert, einen prüfendenBlick in den Spiegel geworfen und sich wieder zu mir ins Schlafzimmer begeben hatte, saß ich im Schneidersitz auf seinem Bett. Vor mir ein rotes Satinunterhös chen (Ich hatte es mit einem Kleenex unter der Matratze hervorgezogen – anfassen würde ich das Teil bestimmt nicht!). Vor Selbstbewusstsein strotzend schlenderte er herein, doch als er das Höschen sah, blieb er wie angewurzelt stehen.
»Umpf«, sagte er. Oder so etwas in der Art. Aber er hatte sich ziemlich schnell wieder unter Kontrolle. »Ey, äh, was ...«
»Was zur Hölle ist das?« Meine Stimme klang ganz ruhig.
»Ist das nicht deins?«
Kopfschüttelnd blickte ich gen Decke. Als ob ich je billige rote Polyesterunterwäsche tragen würde! Ich meine, ich hatte Prinzipien. Oder vielleicht doch nicht? Wenn man bedachte, mit wem ich die letzten sechs Monate verschwendet hatte ...
»Seit wann?«, fragte ich.
»Was meinst du?«
»Seit wann schläfst du mit einer anderen?«
»Das war nicht ...«
Ich schnitt ihm das Wort ab: »Seit wann?«
»Ich habe doch gar nichts ...«
»Seit wann?!«
Er schluckte. Es war das einzige Geräusch im Raum. Schließlich antwortete er: »Erst seit ein paar Wochen.«
Ich lehnte mich zurück und presste die Finger an meine Schläfen. Na toll! Nicht nur war ich die Betrogene – wenn es schon so lange lief, wusste sicher längst die halbeStadt Bescheid. Ich stand also als Opfer da. Und das war ätzender als alles andere. Ach, die arme Remy! Am liebsten hätte ich ihn umgebracht.
»Du bist ein solches Arschloch«, sagte ich. Er war total rot und zittrig geworden. Mir ging plötzlich auf, dass er, wären die Dinge anders gelaufen, eventuell doch zur weinerlichen Kategorie gehört hätte. Wahnsinn. Man konnte einfach nie wissen.
»Remy. Bitte lass mich wenigstens ...« Er beugte sich vor und berührte meinen Arm. Endlich konnte ich genau das machen, was ich schon die ganze Zeit gewollt hatte: Ich riss den Arm weg, als hätte er mich verbrannt.
»Fass mich nicht an«, fauchte ich, schnappte mir meine Jacke, schlang sie um meine Hüften, stürmte aus dem Zimmer. Er stolperte hinter mir her. Ich knallte die Haustür hinter mir zu und war so in Fahrt, dass ich am Briefkasten vorbeiraste und auf dem Bürgersteig stand, bevor ich es überhaupt richtig merkte. Ich spürte, dass er mir von der Haustür aus nachblickte, doch er rief mich nicht zurück. Mal abgesehen davon, dass ich nicht reagiert hätte – die meisten Typen hätten zumindest so viel Anstand im Leib gehabt, es zu versuchen. Aber meine Meinung über ihn hätte sich dadurch natürlich nicht geändert.
Ich stiefelte kopflos davon. Da war ich also: stocksauer, ohne Auto, und das an einem Freitagabend. Mein erster Freitagabend als Erwachsene. Die Schule war vorbei. Willkommen im wirklichen Leben!
»Wo zum Teufel warst du so lange?«, empfing mich Chloe, als ich
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