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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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Denn entweder bleibt man genau jetzt am Ball und versucht mit den Problemen klarzukommen. Oder man zieht sich vornehm zurück, weil man weiß, dass irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wieder ein vollkommenes Geschöpf auftauchen wird, das zumindest für sechs Wochen sämt liche Probleme löst.
    Ich kannte dieses Muster, bevor ich überhaupt meinen ersten Freund hatte, denn bei meiner Mutter durfte ich es im Laufe der Jahre gleich mehrfach miterleben. Bei Ehen verlängern sich die Phasen bloß entsprechend, so als würde man in Hunde- und nicht in Menschenjah ren rechnen: Aus den sechs Wochen wird leicht ein Jahr, manchmal sogar zwei. Doch Ablauf und Muster sind dieselben. Deshalb war es auch immer so einfach zu schätzen, wie lange meine jeweiligen Stiefväter durchhalten würden. Am Ende lief alles auf reine Mathematik hinaus.
    Meine Berechnungen in puncto Dexter waren perfekt, zumindest auf dem Papier. Ich würde exakt dann aufs College gehen, wenn beziehungsmäßig bei uns der erste Lack ab war, nämlich nach knapp drei Monaten. Das Problem bestand darin, dass Dexter nicht ins Schema passte. Wenn man das Ganze mal räumlich betrachtete, stand Dexter nicht einfach nur an der falschen Stelle. Er bewegte sich auf einer komplett anderen Landkarte als ich.
    Zunächst mal war er total schlaksig. Darauf hatte ich noch nie gestanden, und Dexter war wirklich der Prototyp:lang und tollpatschig. Und er konnte einfach nicht stillsitzen. Kein Wunder, dass unsere Beziehung mit diversen ungestümen Begegnungen angefangen hatte, bei denen er mich anrempelte, auf mich fiel oder mich fast umrannte. Mittlerweile wusste ich aus Erfahrung, dass er sich immer so unkontrolliert durchs Leben bewegte, wobei er Ellbogen und Knie ständig an allen möglichen und unmöglichen Stellen anstieß. In der kurzen Zeit, die wir jetzt zusammen waren, hatte er es bereits fertig gebracht, meinen Wecker zu zerstören, eine meiner Glasperlenketten unter seiner Schuhsohle zu zermalmen und   – keine Ahnung, wie er das geschafft hat   – eine enorme Delle an meiner Zimmerdecke zu hinterlassen. Er wippte ununterbrochen mit den Knien oder trommelte mit den Fingern, als wäre er kurz vor dem Start und würde vorsichtshalber schon mal Gas geben, damit er sofort mit Höchstgeschwindigkeit abdüsen konnte, sobald die karierte Flagge unten war. Ständig ertappte ich mich dabei, dass ich meine Hand ausstreckte und ihn zu beruhigen versuchte, indem ich sie auf seine Knie oder Finger legte. Aber der Effekt war genau umgekehrt: Plötzlich hibbelte ich synchron mit, stand genauso unter Strom wie er, als wäre ich mit ihm verkabelt und bekäme die gleichen elektrischen Impulse ab wie er.
    Zweitens war er schlampig bis zum Gehtnichtmehr. Das Hemd hing ihm grundsätzlich aus der Hose, auf seinem Schlips war grundsätzlich ein Fleck, sein dichtes, lockiges Haar stand ihm wild vom Kopf ab, als wäre er ein durchgeknallter Wissenschaftler, seine Schnürsenkel waren prinzipiell nicht zugebunden. Er bestand aus lauter losen Enden, und ich hasse lose Enden. Ich wusste,wenn ich ihn dazu gebracht hätte, ausnahmsweise lang genug still zu halten, hätte ich der Versuchung nicht widerstehen können, an ihm herumzuzupfen, zu glätten, zu ordnen, als wäre er ein besonders unordentlicher Schrank, der von mir aufgeräumt werden wollte. Aber ich tat es nicht; stattdessen ließ ich das Ganze laufen und akzeptierte zähneknirschend, dass ich mich dabei die ganze Zeit unwohl fühlte und innerlich aufregte. Er und ich   – das war nichts Festes, nichts von Dauer. So zu tun als ob und entsprechend zu handeln, hätte uns beiden bloß wehgetan.
    Was mich zum dritten Punkt bringt: Er hatte mich aufrichtig gern. Nicht nur vorübergehend, als Sommerliebe, was ungefährlich gewesen wäre. Doch er sprach nie über die Zukunft, als hätten wir alle Zeit der Welt miteinander, als gäbe es nicht jetzt schon einen definitiven Punkt, an dem unsere Beziehung vorbei sein würde. Ich dagegen hätte gern von Anfang an Klartext geredet: dass ich keine unnötigen Bindungen brauchen konnte, weil ich sowieso wegging. Ich wollte aussprechen, was in meinem Kopf bereits unumstößlich feststand, das übliche Beziehungsprogramm eben. Aber jedes Mal, wenn ich dazu ansetzte, wich er mir so elegant   – sonst ja so gar nicht seine Art   – aus, als könnte er meine Gedanken lesen, als würde er ahnen, was käme.
    Die Tüftelei am
Kartoffel-Opus
wurde unterbrochen, weil Ted zur Arbeit musste. Dexter

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