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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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beinahe perfekt zum Teppichboden passte, konnte meine Mutter mit diesem Kompromiss einigermaßen leben und tolerierte, dass einer von Dons Lieblingsgegenständen in ihrer unmittelbaren Nähe landete. Der Rest seiner Habseligkeiten wurde ins übrige Haus verbannt; was bedeutete, dass Chris und ich uns an ein Leben mit Dons Geschmack und Sinn für Inneneinrichtung gewöhnen mussten. Und zwar schwer.
    Das erste Stück, das mir ein paar Tage nach ihrer Rückkehr ins Auge fiel, war der gerahmte Druck eines Renaissance-Gemäldes, auf dem eine mehr als vollbusige Frau in einem Garten zu sehen war. Sie hatte sehr große, fleischige, weiße Hände und lag splitterfasernackt ausgestreckt auf einer Couch, von der ihre gigantischen Brüste beinahe bis zum Boden herabhingen. Sie aß Trauben, die sie in der einen Faust hielt und sich mit der anderen gerade in den Mund stopfen wollte. Vielleicht war das Teil ja wirklich Kunst (meiner Meinung nach sowieso ein sehr dehnbarer Begriff), aber es war abstoßend– auf jeden Fall. Vor allem, weil es an der Wand direkt über unserem Küchentisch hing und einem beim Frühstück förmlich ins Gesicht sprang.
    »Oh, Mann«, meinte Chris an dem Morgen, nachdem das Bild plötzlich dort aufgetaucht war, etwa zwei Tage nach Dons Einzug. Chris, bereits in seinem
Jiffy-Lube -Overall
, aß gerade Cornflakes. »Wie viel hat die Frau gewogen, was glaubst du?«
    Ich biss ein Stück von meinem Muffin ab und versuchte mich auf die Zeitung vor meiner Nase zu konzentrieren. »Keine Ahnung«, antwortete ich.
    »Mindestens zweihundertvierzig Pfund, schätze ich.« Chris schob sich einen Löffel Cornflakes in den Mund. »Jede dieser Brüste wiegt allein mindestens zwei Kilo, vielleicht sogar zweieinhalb.«
    »Müssen wir darüber reden?«
    »Haben wir eine andere Wahl?«, gab er zurück. »Es ist schließlich
da
. Nicht darüber zu reden wäre, als würde man versuchen die Sonne zu ignorieren.«
    Schlimm war allerdings nicht nur die füllige Renaissance-Dame, sondern auch die moderne Skulptur in der Eingangshalle, die ehrlich gesagt einem Riesenpenis äh nelte . (Gab es da möglicherweise einen thematischen Zusammenhang? Ich hatte Don nie so eingeschätzt, wurde mir aber allmählich unsicher. Was für Vorlieben hatte er eigentlich?) Über unserer Küchentheke hing nun ein kompletter Satz unbenutzter Teflontöpfe und im Wohnzimmer stand ein knallrotes Ledersofa, das geradezu schrie: Komm her, Schätzchen, ich bin ein Single und scharf auf dich. Ich jedenfalls hörte das Sofa schreien. Wenn man das alles zusammennahm, wundert es einen vielleicht nicht mehr, dass ich mir plötzlich inmeinem eigenen Zuhause ein wenig fehl am Platz vorkam. Andererseits war es gar nicht mehr richtig mein Zuhause. Denn jetzt wohnte Don dauerhaft hier   – angeblich   –, während ich nur noch Durchgangsstatus hatte und im Herbst ganz weg sein würde. Ausnahmsweise war ich diejenige mit dem Verfallsdatum. Und merkte, dass mir der Zustand gar nicht passte.
    Was vielleicht in gewisser Weise erklärt, warum ich so oft bei Dexter rumhing. Aber es gab noch einen Grund, den ich nicht so leicht zugegeben hätte. Nicht einmal vor mir selbst.
    Seit ich mit Jungen ausging, hatte ich eine Art inneres Programm dafür entwickelt, ein festes Schema, wie alles abzulaufen hatte und in welcher Reihenfolge. Eine neue Beziehung fing immer als Rausch, als Taumel an, bei dem einem der andere wie eine neue Erfindung oder Entdeckung vorkommt, die plötzlich und auf Anhieb sämtliche Probleme des Lebens löst, einschließlich Socken, die im schwarzen Waschmaschinenloch verschwanden, oder verbranntem Toast. Während dieser Anfangsphase, die in der Regel sechs Wochen dauert, ist der andere einfach ein vollkommenes Wesen. Doch nach sechs Wochen und zwei Tagen zeigen sich die ersten Risse; noch nichts wirklich Existenzielles, nur kleine Macken, die anfangen zu stören. Beispielsweise geht der Typ automatisch davon aus, dass du deine Kinokarte selbst bezahlst, nur weil du es einmal getan hast. Oder wie er mit seinen Fingern auf deinem Armaturenbett im Auto herumtrommelt, als wäre es ein imaginäres Keyboard. Am Anfang fandst du das ja vielleicht sogar mal nett oder niedlich. Aber allmählich nervt es, allerdings nicht genug, um schon etwas zu ändern. Nach acht Wochenwird diese unterschwellige Anspannung jedoch deutlicher, fühlbarer. Der andere ist tatsächlich auch nur ein Mensch. An diesem Punkt brechen die meisten Beziehungen auseinander; es ist vorbei.

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