Zu cool für dich
kam zu mir herüber, stellte sich vor mich und reckte die Arme über den Kopf. »Ist es nicht super, einer richtigen Band bei der Arbeit zuzusehen?«
»
Du bist nicht blöd-chen
ist lahm«, meinte ich, »egal ob falscher oder echter Reim.«
Er zuckte übertrieben schmerzlich zusammen und grinste. »So was nennt man
work in progress
.«
Ich hatte mein Kreuzworträtsel zur Hälfte gelöst und legte es gerade weg; er nahm es und begutachtete, was ich geschrieben hatte. »Sehr beeindruckend«, meinte er. »Und natürlich füllt Miss Remy ihre Kreuzworträtsel mit Kuli aus. Machst du etwa nie Fehler?«
»Nie.«
»Aber du bist hier«, konterte er.
»Das stimmt. Mein einziger Fehler.«
Wieder grinste er. Wir waren erst seit ein paar Wochen zusammen, doch es verblüffte mich immer wieder, wie selbstverständlich wir bereits miteinander umgingen, ein lockerer, leichter Schlagabtausch. Als hätten wir von Anfang an, seit jenem ersten Tag in meinem Zimmer, die üblichen Formalitäten übersprungen: diese etwas peinlichen Momente, wenn man nicht wild rumknutscht, sondern stattdessen zur Abwechslung versucht rauszufinden, wo bei dem anderen die Grenzen, die Tabus liegen. Vielleicht lag es daran, dass wir uns schon eine Zeit lang umkreist hatten, bevor er sich durch mein Fenster katapultierte. Aber wenn ich genauer darüber nachdachte – was ich nicht tat –, hätte ich in blitzartigen Momenten von Selbsterkenntnis zugeben müssen, dass ich mich mit ihm irgendwie immer wohl und vertraut gefühlt hatte, eigentlich von der ersten Sekunde an. Er jedenfalls hatte sich mit mir auf Anhieb definitiv wohl und vertraut gefühlt – wenn ich daran dachte, wie selbstverständlich er bei unserer allerersten Begegnung meine Hand genommen hatte ... Als hätte er schon damals gewusst, dass es so kommen würde.
»Wetten, dass ich, bis die Frau da drüben wieder aus der Reinigung kommt, mehr Bundesstaaten aufzählen kann als du?«
Ich sah ihn an. Es war in unserer Mittagspause. Wir saßen vor
Joie Salon
; ich trank eine Cola light, er verschlang Unmengen krümeliger Feigenkekse. »Es ist viel zu heiß, Dexter«, antwortete ich.
»Komm schon.« Er legte eine Hand auf mein Bein. »Lass uns wetten.«
»Nein.«
»Schiss?«
»Auch nicht.«
Er legte den Kopf schief und kniff mich ins Knie. Sein Fuß klopfte auf den Asphalt – was sonst? »Los, sie geht gleich rein. Die Zeit läuft, wenn sie die Tür hinter sich zumacht.«
»O Gott«, stöhnte ich. »Worum wetten wir?«
»Fünf Dollar.«
»Langweilig. Und viel zu wenig.«
»Zehn.«
»Okay, und du lädst mich zum Abendessen ein.«
»Abgemacht.«
Die Frau, die ein T-Shirt und pinkfarbene Shorts anhatte und einen Stapel ungebügelter weißer Herrenhemden über dem Arm trug, zog die Tür zur Reinigung auf. Während die Tür hinter ihr zufiel, sagte ich: »Maine.«
»North Dakota.«
»Florida.«
»Virginia.«
»Kalifornien.«
»Delaware.« Ich zählte an den Fingern mit. Er hatteschon oft gemogelt, auch wenn er es jedes Mal vehement bestritt. Aber genau deshalb brauchte ich handfeste Beweise. Für Dexter waren Wetten so etwas wie die Duelle in den alten Filmen, wo Männer in weißen Anzügen einander mit Handschuhen ins Gesicht schlugen und es um alles oder nichts ging, weil ihre Ehre auf dem Spiel stand. Ich hatte nicht alle Wetten gewonnen, aber auch noch nie klein beigegeben. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass ich totales Neuland betreten hatte.
Dexter war nämlich, wie sich allmählich herausstellte, berühmt für seine Wetten. Die erste, die ich mitkriegte, lief zwischen ihm und John Miller, ein paar Tage, nachdem wir zusammengekommen waren, bei einem der ersten Male, die ich mit ihm zum gelben Haus rüberfuhr. Als wir ankamen, saß John Miller im Schlafanzug in der Küche und aß eine Banane. Auf dem Tisch vor ihm lag eine ganze Bananenstaude. In dem Moment wusste ich das natürlich noch nicht, aber mittlerweile ist mir klar geworden, dass dies ein für einen Haushalt, in dem sich die Lebensmittelvorräte überwiegend auf Bier und Softdrinks beschränkten, höchst ungewöhn licher Umstand war.
»Woher kommen die vielen Bananen?« Dexter zog einen Stuhl ran und setzte sich.
John Miller, der ziemlich verpennt aussah, blickte auf und antwortete: »Geburtstagsgeschenk von meiner Oma. Sie hat organisiert, dass ich von so einem Obstclub jeden Monat einen Haufen Früchte zugeschickt bekomme. Und diesen Monat sind’s eben Bananen.«
»Kalium«, meinte Dexter.
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