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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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natürlich recht.
    »Kapitän«, erbot sich Smosh, »wenn Sie erlauben …?«
    »Ja, Mr Smosh, sicher.«
    Laut und vernehmlich begann der Reverend mit seinem Gebet. Solange Hayden an Bord der Themis gewesen war, hatte er noch kein Gebet gehört, das mit so großer Inbrunst gesprochen worden war. Dagegen verblasste selbst der Gottesdienst, den Smosh unter Deck abgehalten hatte, als die Themis von einer Seuche befallen worden war. Damals waren mehr als zwanzig Seeleute aus der Crew gestorben, mehr als doppelt so viele lagen über Wochen mit Fieber danieder.
    Alle senkten demütig den Kopf, sogar die katholischen französischen Matrosen, die in der Nähe waren. Die Angst um das eigene Leben vereinte in diesem Augenblick Freund und Feind gleichermaßen. Die Franzosen hingegen bekreuzigten sich dreimal, nachdem Smosh sein Gebet beendet hatte.
    Hayden suchte derweil Halt am Schanzkleid, weil er befürchtete, auf dem schrägen Deck auszurutschen. Nicht weit entfernt, in nördlicher Richtung, konnte er die britische Fregatte sehen, die ebenfalls mit gebrochenen Masten zum Kentern lag. Sie war auch auf die Felsen gelaufen, doch der Abstand zur Küste mochte von dort aus noch größer sein. Das andere britische Schiff war hingegen in den Regenschleiern und der zunehmenden Dämmerung verschwunden.
    Dunkelheit schloss sich um die Schiffbrüchigen. Die Küste, beherrscht von Klippen, wirkte nur noch wie ein dünner heller Streifen, an dem sich die Wellen brachen.
    Hawthorne kam an Haydens Seite und ließ den Blick über die Küste schweifen. »Könnten Sie bis dort drüben schwimmen, Sir?«, fragte er leise.
    Hayden verneinte mit einem Kopfschütteln. »Nein, ausgeschlossen. In der Nähe solcher Riffe gibt es oft Unterströmungen, die einen Schwimmer ins offene Meer ziehen. Noch haben wir die Boote des Vierundsiebzigers, und sobald es hell wird, bauen wir uns Flöße. Das ist unsere einzige Hoffnung. Hilfe können wir nur dann erwarten, wenn der Sturm ein wenig nachlässt, aber dafür sehe ich im Augenblick keine Anzeichen.«
    Selbst Hawthorne war nun nicht mehr zum Scherzen zumute und sah wie alle anderen bleich aus. Seine Lippen waren bläulich verfärbt, das nasse Haar klebte ihm auf der Stirn. »Hier sind etwa sechshundert französische Seeleute«, sagte der Leutnant so leise, dass Hayden die Worte im Wind kaum verstand. »Werden die sich überhaupt Sorgen um englische Gefangene machen, oder sind wir fortan ganz auf uns allein gestellt?«
    »Lacrosse ist ein ehrenhafter Mann, ein Offizier und Adliger, auch wenn er nun ein citoyen ist. Ich bin mir sicher, dass er einem von uns im Boot Platz machen würde – aber seine Crew – vor einer Weile konnte ich beobachten, wie sich das Enterkommando geschlossen den Befehlen der Offiziere widersetzte. Wenn die französischen Matrosen keine Befehle mehr befolgen, dann könnten wir in große Schwierigkeiten geraten. Wir sind nur ein Dutzend, und wer weiß, wer sich in all dem Durcheinander auf unsere Seite schlagen wird.«
    »Sir …«, sagte Hawthorne und deutete mit einem Kopfnicken in Richtung Heck, »… Kapitän Lacrosse kommt.«
    Der französische Kommandant bahnte sich seinen Weg auf dem geneigten Deck. Hier und da reichte ihm ein Matrose die Hand, da die Männer entlang des Schanzkleids hingen, das im Augenblick am weitesten von der aufgewühlten See entfernt war. Doch viele Crewmitglieder drehten den Kopf zur Seite, sodass Lacrosse gezwungen war, aus eigener Kraft voranzukommen.
    Hawthorne machte dem Franzosen Platz an der Reling. Hayden hatte den Eindruck, Lacrosse sei um Jahre gealtert. Er wirkte blass und dürr, ging ein wenig gebeugt. Als er sich schließlich neben Hayden an die Reling lehnte, hinderte ihn ein Hustenanfall am Sprechen.
    Kurz darauf wandte er sich rotgesichtig an Hayden. »Sind Ihre Leute alle unversehrt?«
    »Ja. Nur mein Erster Leutnant hat eine Handverletzung«, antwortete er und deutete auf Archer, dessen Hand Griffiths mit einem Stück Stoff umwickelt hatte, vermutlich ein Streifen von einem Hemd. »Ich hätte meine Leute nie befreien können ohne die Hilfe Ihres Aspirants Pierre.«
    Bei diesem Lob hellte sich die Miene des Franzosen für einen Moment auf. »Ja, er hat den Körper eines Jungen, aber das Herz eines Mannes.« Lacrosse beugte sich zu Hayden herüber und sagte mit starkem Akzent auf Englisch: »Sie müssen wissen, Capitaine Hayden, dass die Disziplin in der französischen Marine zusammengebrochen ist. Die Schlagworte Liberté und

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