Zu feindlichen Ufern - [3]
so gut es ging aus und schlug ihn dann auf die Planken. Hayden zitterte so stark am ganzen Leib, dass er nicht mehr zum Sprechen imstande war. Mit Gesten gab er Hawthorne zu verstehen, ihm auch aus der Weste und dem Hemd zu helfen. Als er nur noch in den Breeches an Deck stand und zusah, wie die Kameraden seine Kleidungsstücke auswrangen, glaubte er, auf der Stelle sterben zu müssen. Sein Herz schien in der beißenden Kälte seinen Dienst zu versagen. Unterdessen rieb der Doktor ihm unaufhörlich über die Handgelenke, während einer der französischen Leutnants nach achtern kam und Hayden einen Schluck von dem kostbaren Branntwein anbot. Auch die Midshipmen durften einen Schluck aus der Flasche nehmen, die daraufhin leer war. Die Engländer stammelten Dankesworte, die Lippen blau verfärbt. Der Leutnant zuckte mit den Schultern und schleuderte die leere Flasche ins Meer – vermutlich um der Crew zu beweisen, dass wirklich kein Branntwein mehr da war, wie Hayden annahm.
Von da an beaufsichtigte Mr Franks als Bootsmann die Arbeit an den Flößen. Sie brauchten geeignetes Holz, und da sie nicht wahllos Planken aus dem Wrack entfernen durften, wählte der Bootsmann Stellen aus, die für die Stabilität des Schiffes nicht mehr wichtig waren.
Währenddessen kauerten Hayden und die beiden durchgefrorenen Midshipmen im Schatten des Schanzkleids und zitterten wie Männer mit Schüttellähmung. Drei französische Matrosen, die sich bislang unter einer Hängematte verkrochen hatten, traten nun vor und legten die Matte den jungen Männern um die Schultern. Dann setzten sie sich eng um Hayden herum, damit der Wind ihn nicht mehr quälte, und boten ihm die letzte Wärme, die sie noch mit ihren Körpern zu geben imstande waren.
Als Lacrosse zu Hayden trat und sich nach seinem Wohlergehen erkundigte, blickte er sehr besorgt drein. Hayden winkte ihn mit zittriger Hand näher zu sich.
»K-Kapitän La-cr-osse«, wisperte er auf Englisch, »das Schiff wird nicht mehr l-lange halten. Das M-Meer spült das W-Wasser durchs Heck hin-ein und w-wird die Sp-Spanten brechen.«
»Der Allmächtige errette uns«, murmelte Lacrosse und bekreuzigte sich. »Ich lasse meine Männer ebenfalls Flöße bauen – aber bei dieser See können wir keine Flöße losschicken.« Er deutete hinaus aufs Meer, das von Gischtkronen beherrscht war. Dann entfernte er sich mit unsicherem Gang auf den Planken und rief seine Leutnants zusammen.
Griffiths trat an Hayden heran. »Wie viel Zeit bleibt uns noch, Kapitän?«
»N-Noch bis zum M-Morgen«, stammelte Hayden.
Der Schiffsarzt schwieg daraufhin und stand mit verkniffenem Mund da, ehe er sich seitwärts wie eine Krabbe über Deck bewegte, um zu den Männern zu gelangen, die sich daranmachten, ein Floß zu bauen. Er hielt es für besser, den Männern nicht zu sagen, wie wenig Zeit ihnen blieb. Die Arbeit an den Flößen ging so langsam vonstatten, dass Hayden befürchtete, nicht einmal ein Viertel der Crew transportieren zu können, selbst wenn sich die See beruhigte. Zum ersten Mal quälten ihn Zweifel, die fortan sein Denken zu bestimmen drohten. Übrig blieb die Erkenntnis, dass er diesmal womöglich nicht mit dem Leben davonkommen würde. Wenn der Sturm auch am Morgen nicht nachließ, würden sie gezwungen sein, das einzig verbliebene Boot zum Einsatz zu bringen, ehe das Wrack zerbrach. Jetzt bereute er es, weder Barthe noch Wickham ins Vertrauen gezogen zu haben – jemand musste doch die Nachricht von Monsieur Benoît nach England übermitteln: Die Franzosen sammelten sich bei Cancale. Falls Hayden nicht überlebte, käme die Warnung vor einer Invasion womöglich zu spät.
Hayden legte sich aufs Deck, machte sich so klein wie möglich und zitterte inmitten seiner französischen Beschützer. Wann immer er dazu in der Lage war, bedankte er sich bei den Männern, aber vielleicht träumte er auch nur, dass er zu ihnen sprach.
Einmal öffnete er die Augen, kehrte aus seiner Starre in die Gegenwart zurück und nahm wie im Halbschlaf wahr, dass sich die Nacht über das Wrack gelegt hatte. Die Windgeräusche hielten an, aber andere Laute mischten sich darunter: das Knarren und Knacken von Holz, untrügliche Anzeichen, dass die Spanten des Schiffes allmählich nachgaben. Trotz seiner eingeschränkten Wahrnehmung und der Trugbilder, die seinen halb gelähmten Geist heimsuchten, war ihm bewusst, in welcher Gefahr sie alle schwebten. Das Schiff drohte jeden Augenblick auseinanderzubrechen.
Doch die
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