Zu feindlichen Ufern - [3]
spreche nicht eine Silbe Französisch.«
»Lacrosse hat mir versichert, einer seiner Leute spreche beide Sprachen und werde wie Wickham übersetzen. Er gibt Ihre Befehle weiter.«
»Wenn das so ist – ich bin dabei, Sir. Ich werde alles geben, um das Boot durch die Brandung zu steuern, Sir. So Gott will, bringe ich die Männer sicher an Land.«
Hayden hatte noch nie gehört, dass sein Bootsmann die Hilfe einer göttlichen Macht anrief, aber er ahnte, dass viele der Männer im Verlauf der letzten Stunden zu ihrem Glauben gefunden und Kraft aus Gebeten geschöpft hatten.
»Ich teile das gleich Kapitän Lacrosse mit«, antwortete er. »Und, Mr Franks – viel Glück und möge Gott mit Ihnen sein.«
»Danke, Sir.«
Hayden begab sich wieder zu Lacrosse, der dabei war, eine Crew für das Beiboot zusammenzustellen. Derweil bestimmten die beiden Schiffsärzte mithilfe der Assistenten, wer in den Reihen der Crewmitglieder zu schwach war, um sich noch selbst retten zu können. Das Beiboot war größer als eine britische Barkasse und entsprechend schwerer. Es gab nur einen Weg, um es ins Wasser zu bringen: Die Männer mussten es über die Bordwand hieven. Als Lacrosse die Befehle gab, kamen die französischen Matrosen zu Haydens Überraschung den Anweisungen nach. Womöglich war den meisten klar geworden, dass zu viele Einzelaktionen in den sicheren Tod führten. Bei jeder neuen Wellenfront stieg der Wasserpegel im Wrack. Längst konnte man spüren, wie sich das Oberdeck zu bewegen begann.
Sie brauchten jeden verfügbaren Mann, um das Beiboot zu Wasser zu lassen. Da die Männer am Ende ihrer Kräfte waren, dauerte die Aktion extrem lange. Viele trugen Quetschungen an den Händen davon oder sackten kraftlos auf die Planken, aber schlussendlich glitt das Boot in den Atlantik. Mit Enterhaken versuchten zwei Matrosen, das Boot zu stabilisieren, bis man Leinen an Heck und Bug anbrachte. Franks kletterte als Erster ins Beiboot, was sich als schwierig erwies, da das Boot immer wieder hochgedrückt wurde. Bei jedem Aufprall gegen den Rumpf glaubte man, dass es zersplittern würde, aber es hielt. Es war zu gefährlich, über das Fallreep hinabzuklettern, da die Gefahr bestand, zwischen Bootsrand und Rumpf zerquetscht zu werden, und daher sprangen die Rudergasten in das Boot, kauerten sich auf ihre Plätze und sahen noch entsetzter aus als zuvor auf dem Wrack.
Sowie die Männer an den Riemen saßen, versuchten sie, das Boot so zu halten, dass die Kranken und Schwachen hinuntergereicht werden konnten. Manch einer der Männer war bleich wie der Tod. Als Nächste kamen die Schiffsjungen, die erstaunlich behände ins Boot kletterten. Haydens Midshipmen baten, an Bord des Wracks bleiben zu dürfen, da sie lieber auf den Flößen sein wollten. Hayden kam den Bitten nach, glaubte er doch, dass die Chancen nicht viel besser standen, in dem Boot zu überleben.
Ein Murren ging durch die Reihen der Männer, die noch an der Reling ausharrten. Plötzlich sprang ein Matrose von dem Wrack ins Boot und rollte zu Füßen der Rudergasten. Wütend befahl Lacrosse, den Mann über Bord zu werfen, aber kaum hatten die Rudergasten ihn gepackt, als drei weitere Verzweifelte ebenfalls ins Boot sprangen und auf den Männern landeten. Überall hob nun ein Fluchen und Schubsen an, und beinahe wäre Hayden in all dem Gedränge zu Boden gegangen, wenn ihn nicht jemand festgehalten hätte.
Im selben Moment erfasste eine mächtige Woge das Wrack, worauf die Decksplanken zu ächzen begannen. Panik brach aus. Vergessen waren die Flöße. Die Männer rempelten sich gegenseitig an, trampelten über die Kameraden hinweg, die bereits auf dem Deck lagen, und sprangen hinab ins Boot. In all dem kopflosen Durcheinander fielen Matrosen ins Meer, da Kameraden von hinten nachdrängten. Hayden geriet in einen Strudel aus Armen, Schultern und Händen und wurde bald hierhin, bald dorthin geschubst. Die Rufe der Offiziere gingen unter in all dem Lärm.
Franks schrie: »Ablegen! Ablegen!«, aber die Männer, die weiterhin ins Boot sprangen, machten das Entkommen unmöglich. Einige sprangen mit Absicht, die meisten jedoch stürzten hinab, da sie sich nicht mehr an der Reling halten konnten. Augenblicke später war das Beiboot überladen und krängte schwer leewärts. Die Männer strauchelten und purzelten alle zu einer Seite, bis sich das Boot zum Entsetzen aller überschlug und alle Insassen ins Meer spie.
»An den Leinen festhalten!«, schrie Hayden auf Französisch und
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