Zu feindlichen Ufern - [3]
seinen Ausführungen folgten. »Mr Bowen, suchen Sie mir einen vertrauenswürdigen und standhaften Mann, der am Bugspriet steht und uns die Entfernung zum Heckspiegel des Vierundsiebzigers meldet. Ein zweiter Mann soll sich hinter dem ersten in Deckung begeben, für den Fall, dass der Ausrufer verletzt wird.«
»Das übernehme ich, Kapitän«, meldete sich Wickham.
»Sie haben das Kommando über die Geschütze in der Kuhl, Mr Wickham«, teilte Hayden seinem Midshipman mit, ehe er sich wieder Bowen zuwandte. »In regelmäßigen Abständen postieren wir Männer an Deck, die mich über die jeweilige Entfernung zum feindlichen Schiff informieren, in Yards, Mr Bowen.«
»Ich wähle die Männer aus, Kapitän.«
»Hat jeder seine Aufgabe verinnerlicht? Alle Kanonen werden zum Einsatz kommen, aber erst auf mein Kommando feuern.« Hayden gab seinen Offizieren die Möglichkeit, Fragen zu stellen, und fügte schließlich hinzu: »Einige von Ihnen haben noch an keinem Gefecht teilgenommen, aber verzweifeln Sie deswegen nicht. Sie werden den Herausforderungen gewachsen sein, glauben Sie mir. Die Männer an den Geschützen werden Sie nicht enttäuschen. Ich wünsche jedem von uns alles erdenkliche Glück, meine Herren.«
Während die Offiziere ihre Posten einnahmen, gab Hayden Mr Barthe und dem Ersten Leutnant Anweisungen für die Segeltrimmer und die Männer an den Brassen an Deck. Er selbst werde den Rudergängern den Befehl geben, ließ er seine beiden Offiziere wissen. Kurz darauf standen die Geschützführer bereit, hielten die Abzugsleinen in Händen und blickten hinüber zu dem französischen Schiff, das immer höher und Furcht einflößender aufragte. Der Mann vorn am Bugspriet durfte wahrlich kein Feigling sein, zumal er gewiss Musketenfeuer auf sich ziehen würde.
Das Aufschließen und Längsseitsgehen zog sich für Haydens Empfinden erneut unerträglich lange hin, da die Franzosen in etwa die gleiche Geschwindigkeit hatten wie die Briten. Etwa gegen drei Glasen wurde der erste Schuss abgefeuert, und zwar von den Franzosen, die es auf das vorderste britische Schiff abgesehen hatten – auf das 80-Kanonenschiff Caesar . Kurz darauf hallten von überall her Donnerschläge übers Wasser, doch die britischen Schiffe ließen die eigenen Geschützmannschaften warten, bis man auf Schussweite der Musketen herangekommen war.
Derweil beobachtete Hayden genau die Rauchentwicklung der Breitseiten ringsum und hatte allen Grund zu hoffen, dass sein Plan gelingen könnte. Dunkle Schwaden hüllten die Schiffe ein, der Wind vertrieb den Rauch nur langsam. Die ganze Zeit behielt er die Lücke zwischen den beiden feindlichen Schiffen im Blick, durch die die Raisonnable stoßen sollte. Immer wieder versuchte er, die Entfernung zwischen den beiden Franzosen abzuschätzen, und sah, dass sie mal auseinanderdrifteten, dann wieder näher zusammen waren. Ihm war bewusst, dass die Raisonnable nicht in der Lage wäre, die Linie zu durchstoßen, solange die Lücke zu klein war – das bedeutete, sie müssten sich der vollen Breitseite eines überlegeneren Schiffes stellen. Eine Eisenkugel sauste durch die Luft, zerrte am Besan und ließ den Besanbaum erzittern. Heftig schwang die Spiere von einer Seite zur anderen.
»Mr Archer?«
»Sir?«
»Drei Geschütze sollen abwechselnd Ketten- oder Stangenkugeln und dann Traubengeschosse ins Rigg des Franzosen feuern. Holen wir die Musketiere aus dem Mars.«
Die französischen Scharfschützen waren gefürchtet. Oft trafen sie Männer der englischen Crews auf dem Oberdeck, insbesondere die Offiziere, sodass bisweilen nur ein Leutnant als Kommandant übrig blieb – sehr zum Nachteil des Schiffes.
Hawthorne war längst mit seinen Seesoldaten aufgeentert, um die Musketiere gegenüber von der Marsplattform zu fegen und dann die Männer an Deck ins Visier zu nehmen. Hayden kannte Kapitäne, die sich von feindlichen Seesoldaten nicht einschüchtern ließen und der eigenen Crew demonstrieren wollten, dass ein Offizier allen Gefahren trotzte. Doch Hayden hielt dieses falsche Heldentum für einen tragischen Irrtum, zumal die feindlichen Scharfschützen stets zuerst auf die Offiziere zielten. Er brauchte seinen Männern nicht zu beweisen, wie tapfer er war, also konnte er ohne Bedenken den Befehl geben, die gegnerischen Scharfschützen unter Feuer zu nehmen.
Eine feindliche Kugel durchschlug die Reling des Quarterdecks und löste Angst und Schrecken bei den Männern aus. Hayden war sofort an Ort und Stelle
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