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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Signalbuch, dass der junge Gould die Flaggenfolge richtig interpretiert hatte. Gould wurde für sein gutes Gedächtnis gelobt, doch einige der jüngeren Midshipmen beäugten ihn mit neidischen Blicken.
    Die Männer begaben sich mit einem solchen Eifer auf ihre Positionen, dass Hayden kaum seinen Augen traute. Rahen wurden gebrasst, das Steuerrad wurde gedreht, und kurz darauf nahm die Raisonnable Fahrt auf.
    Die Signale wurden entlang der Formation wiederholt, worauf die Flotte einheitlich auf den neuen Kurs schwenkte.
    »Sehr klug gemacht«, merkte der junge Bowen an. »Meinen Sie nicht, Mr Archer?«
    »Es freut mich zu sehen, dass Sie in so kurzer Zeit eine Autorität auf diesem Gebiet geworden sind«, erwiderte Archer.
    Der Junge errötete und schwieg fortan.
    »Ist das wieder unsere Nummer?«, fragte Gould kurz darauf.
    Neue Flaggen wurden an Bord von Howes Schiff gehisst.
    »In der Tat, Mr Gould«, antwortete Hayden. »Können Sie es entziffern?«
    »Ist das der Befehl …«, doch dann verstummte der Midshipman und nagte am Winkel der Unterlippe. »Ich weiß es nicht, Sir, tut mir leid.«
    »Wir erhalten den Befehl, uns in die Gefechtslinie einzugliedern, Mr Gould – unmittelbar hinter der Brunswick , denke ich.« Den Worten folgte gespanntes Schweigen. »Wer hat das Signalbuch?«, fragte Hayden und ließ sich nicht anmerken, was für Gedanken ihm zu diesem Befehl durch den Kopf gingen.
    Im Augenblick hatte Leutnant Huxley das wichtige Buch und bestätigte Haydens Worte nach einer kurzen Pause.
    Die jungen Gentlemen tauschten Blicke. Inzwischen hatten sie voll und ganz begriffen, was auf sie zukam, und Hayden entging nicht, wie verängstigt sie waren.
    »Mr Archer? Segel so weit reffen, dass die anderen Schiffe an uns vorbeiziehen können. Danach nehmen wir unsere Position in der Kiellinienformation ein, und zwar schnell und ohne Missgeschicke. Die Schiffe achteraus müssen uns Raum lassen, also dürfen wir uns erst dann eingliedern, wenn sie uns Platz gemacht haben.«
    Die Neuigkeiten liefen der Länge nach über Deck und hatten sich binnen kürzester Zeit auf sämtlichen Decks verbreitet. Hayden spürte, wie die Crew von Unruhe erfasst wurde.
    Barthe kam hinauf zu Hayden aufs Poopdeck, blickte einen Moment lang zum Feind hinüber und raunte seinem Kommandanten dann zu: »Hoffen wir, dass wir nicht auf gleicher Höhe mit einem Schiff der ersten Klasse liegen.«
    Hayden tat so, als hätte er die Worte nicht gehört. Aber sein Master hatte natürlich recht – eine Breitseite von drei Decks eines 100-Kanonen-Schiffs würde der Raisonnable arg zusetzen, da war Hayden sich ziemlich sicher. Offenbar war Admiral Howe zu der Einsicht gelangt, dass selbst ein Vierundsechziger dem Feind Schaden zufügen konnte. Seltsam, Hayden erinnerte sich plötzlich an Szenen aus der Kindheit, als Freunde ihn gedrängt hatten, es mit einem Jungen aufzunehmen, der einen Kopf größer gewesen war als er. Es bestand kaum Aussicht auf Erfolg, wenn Hayden indes zögerte, würde er als feige gelten.
    Sie saßen in der Zwickmühle.
    Mehr als eine Stunde verstrich, ehe Hayden in der Lage war, sein Schiff in die Formation einzugliedern. Sowohl die Segeltrimmer als auch die Männer an den Brassen waren gefordert, und selbst als die Raisonnable eingeschert war, hatte Hayden das Gefühl, zu dicht an dem Vierundsiebziger voraus zu sein.
    Spätestens jetzt war jedem an Bord klar, dass ein Gefecht an diesem Tag unvermeidbar war. Die Franzosen machten keine Anstalten zu lenzen, was ihre einzige Möglichkeit zur Flucht gewesen wäre.
    Die Raisonnable hatte soeben ihren Platz eingenommen, als an Bord des Flaggschiffs signalisiert wurde, die Queen Charlotte werde versuchen, die feindliche Linie im Zentrum zu durchstoßen. Obwohl der Feind noch drei Meilen entfernt war, ragten die Linienschiffe inzwischen recht hoch auf – jedenfalls größer als Haydens Vierundsechziger, das er für das kleinste Schiff auf beiden Seiten hielt. Er sah, wie die Matrosen in Richtung der Franzosen starrten. So manch einer schien schon abzuzählen, mit welchem gegnerischen Schiff sie es würden aufnehmen müssen.
    »Mr Archer?«
    »Sir?« Der Erste Leutnant sah noch etwas blasser als gewöhnlich aus und wirkte sehr ernst. Hayden wusste, dass Benjamin Archer kein Narr war. Er ahnte wie jeder andere auch, was sie zu erwarten hatten.
    »Ich mache schnell noch einen Rundgang an Deck.«
    »Aye, Sir.«
    Rasch kletterte Hayden die Leiter nach unten und ging von einer

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