Zu feindlichen Ufern - [3]
Rundgangs steckte er den Kopf durch die Tür der Messe, wo er Smosh und Griffiths sah, die es sich mit dem Leutnant der Seesoldaten bei einem Glas Wein gemütlich gemacht hatten, und erwiderte ihren Gruß.
Als er zurück an Deck stieg, hatte sich die Nacht über dem Ärmelkanal ausgebreitet. Die französische Fregatte blieb zwar hinter der Themis , vermochte aber nicht aufzuholen, dafür hinderte sie Hayden am Halsen. Doch der Wind war im Augenblick ohnehin zu stark. Eine Weile beobachtete Hayden den Verfolger und sah, wie die Positionslampen je nach Wellengang aufblinkten und wieder verschwanden. Kurz darauf lag die Fregatte wieder verborgen in den Regenschleiern, ehe die kleinen Lichtpunkte wie Raubtieraugen aus der Dunkelheit aufleuchteten.
»Mr Gould, ich muss mit Mr Archer und Mr Barthe reden.«
Der junge Midshipman tippte an seinen Hut, und die Schwärze an Deck verbarg seine Miene völlig. Augenblicke später eilten der Master und der Erste Leutnant auf das Quarterdeck.
»Ich habe den Franzosen eine Weile beobachtet«, begann Hayden. »Sobald der Regen stärker über das Wasser geweht wird, bleibt der Feind nahezu unsichtbar. Ich habe die Absicht, genau bei diesen schlechten Sichtverhältnissen vor dem Wind zu drehen, um auf entgegengesetzter Halse zu segeln, ehe die Franzosen merken, was wir tun. Die Crew soll sich bereithalten zum Halsen, Mr Barthe.«
»Aye, Sir.« Der Master rief nach Franks, dem Bootsmann.
»Unsere Stückpforten lassen wir lieber geschlossen, Mr Archer«, sagte Hayden, »aber wir könnten unsere Deckgeschütze klarmachen. Die Männer an die Karronaden und Drehbassen.«
»Aye, Kapitän.«
Obwohl Haydens Crew im Verlauf der letzten Eskorte mit schlimmeren Wetterunbilden zu kämpfen gehabt hatte und Sturm auf See gewohnt war, gefiel es ihm nicht, dass die Männer bei diesem Seegang oben in den Fußpferden der Rahen ausharrten. Für die Kursänderung müssten das Kreuz- und das Großmarssegel aufgegeit und die Rahen an Kreuz- und Großmast so gebrasst werden, dass sie keinen Wind mehr aufnahmen. Aber bei der Nässe und der Dunkelheit war das Segeltuch schwer wie Blei und steif.
Die Matrosen begaben sich unterdessen ohne zu murren auf ihre Posten. Jeder hatte begriffen, wie viel von diesen Manövern abhing.
Doch schließlich waren sie zum Warten verdammt. Der Regen prasselte an Deck, der Wind raubte den Männern das letzte bisschen Wärme aus dem Leib, bis die Finger taub wurden und die Hände kaum noch dem Willen gehorchten. Fast eine Stunde verstrich, aber die erhoffte starke Regenfront blieb aus, die Hayden für die heimliche Halse gebraucht hätte. Schon fragte er sich, wie lange er die Männer noch auf ihren Stationen würde lassen müssen, und glaubte, einen Fehler gemacht zu haben. Doch da wurden die Lichter des feindlichen Schiffes in der Düsternis aus Meer und Regen verschluckt. Im nächsten Moment fegte der Wind über die Gischtkronen und drückte gegen die Themis , sodass sie krängte und in Regenschleier gehüllt wurde.
Hayden erteilte dem Master den Befehl, der durch seine Sprechtrompete rief: »Kreuzmarssegel aufgeien! Achterrahen brassen!«
Die Order wurde von dem Bootsmann und dessen Maaten weitergegeben, die sich entlang des Decks positioniert hatten. Denn in einer Sturmnacht wie dieser wurden die Befehle meist vom Wind verschluckt. Hayden schützte sein Gesicht mit einer Hand gegen die Böen und versuchte, jenseits der Reling etwas auf See erkennen zu können, aber er sah nur Strudel dunkler Wasser, durchsetzt von weißer Gischt.
Die Themis sprach besser als erwartet auf ihr Ruder an – als hätte sie die Tragweite der Situation erfasst – und brachte ihr Heck elegant durch den Wind. Kurz darauf drehte sie sich auf den neuen Kurs, Nordwest bei West, hinaus in den Ärmelkanal. Hayden ging in die Ecke, wo Heckreling und Schanzkleid an Steuerbord zusammentrafen, und blickte suchend hinaus in die Nacht. Obwohl der vom Sturm getriebene Regen ein wenig nachgelassen hatte, konnte Hayden keine Konturen der feindlichen Fregatte ausmachen.
»Ausguck!«, rief er nach oben. »Können Sie den Franzosen noch sehen? Drehen sie vor dem Wind?«
Er erhielt keine Antwort und war bereits im Begriff, die Frage zu wiederholen, als doch noch eine Stimme aus dem Kreuzmarssegel erscholl. »Sir! Ich kann sie sehen, an Steuerbord voraus. Sie drehen nicht in den Wind – warten Sie, Sir. Ich glaube, die wollten uns täuschen, Kapitän. Die verdammten Froschfresser drehen vor dem Wind,
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