Zu feindlichen Ufern - [3]
es erkennen?«, rief er dem Mann zu.
»Kann ich nicht, Sir. Ist kein Lugger, Sir – vielleicht ein Küstenschiff, Kapitän. Zweimaster, denke ich – nein, doch drei, Sir.«
Hayden fluchte leise vor sich hin. »Wo ist Mr Wickham? Hobson! Suchen Sie Mr Wickham und schicken Sie ihn mit einem Fernrohr hinauf.«
»Ich komme schon, Kapitän.« Wickham sprang förmlich aus dem Niedergang an Deck, hätte dabei auf den schwankenden Planken fast das Gleichgewicht verloren und hielt gerade noch rechtzeitig seinen Hut fest, als eine Böe über Deck fegte. Unter einen Arm hatte er sich ein Fernrohr gesteckt, und sein Mantel bog sich wie ein Segel ohne Schot nach Lee durch. Als er im nächsten Augenblick die Kreuz-Bramwanten hinaufkletterte, erinnerte sein wehender Mantel an die Schwingen einer Fledermaus.
Hayden wartete, bis der junge Mann den Topp erreicht hatte, und beobachtete, wie Wickham dort oben sicheren Halt suchte. Dann richtete er sein Glas auf die See achteraus. Gespannte Stille legte sich auf die Crew, als alle auf Mr Wickhams Einschätzung warteten.
»Ein Schiff, in der Tat, Kapitän!«, rief er nach unten. »Vielleicht eine Fregatte. Sie liegt gut im Wind, macht ordentlich Fahrt, möchte ich behaupten, Sir.«
»Ist es eine von uns, Wickham?«
»Das vermag ich nicht zu sagen, Sir.«
Hayden wendete den Blick von seinem Midshipman und gewahrte Archer und Barthe, die beide in seine Richtung blickten. Unausgesprochene Fragen lagen in den Augen seines Masters.
»Wir dürfen jetzt noch nicht halsen, Mr Archer. Erst wenn wir die Nationalität dieses Schiffes kennen. Wo ist mein Glas?«
Die beiden Deckoffiziere tippten an ihre Hüte und gaben den Männern oben den Befehl, wieder an Deck zu kommen. Derweil brachte man Hayden sein Fernrohr, das er sogleich auf das Segel in der Ferne ausrichtete. Das Schiff war nur zu erahnen, nicht mehr als ein Fleck im Kielwasser der Themis . Je nach Wellengang tauchte der Rumpf des Schiffes auf oder verschwand, sodass man nichts über den möglichen Verfolger in Erfahrung bringen konnte. Sie waren gezwungen, zu warten – und konnten nur hoffen, dass es ein britisches Schiff war.
Archer räusperte sich. »Sollen sich die Männer in ihren Backschaften einfinden, Sir?«
Hayden nickte. »Ja, sagen Sie ihnen Bescheid, Mr Archer.«
»Aye, Sir.« Aber noch machte der Leutnant keine Anstalten, sich vom Quarterdeck zu entfernen. »Wie sieht sie aus, Sir?«
Hayden reichte seinem Leutnant das Glas, worauf Archer sich an die Reling lehnte, um einen ruhigen Stand zu haben. Nachdem er eine Weile angestrengt durch das Rund des Fernrohrs geschaut hatte, mal mehr, mal weniger beeinträchtigt vom Stampfen und Rollen des Schiffs, ließ er das Glas sinken und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob es sich um eine Fregatte handelt, Kapitän Hayden.«
»Sie bleibt wohl vorerst ein Geheimnis.«
Haydens Diener erschien an der Reling. »Sie sind eingeladen, mit den Offizieren in der Messe das Frühstück einzunehmen, Kapitän.«
»Eine solche Einladung nehme ich dankend an. Sie haben das Deck, Mr Archer. Rufen Sie mich, sobald auch nur eines dieser Schiffe sich auffällig verhält.«
»Das tue ich, Sir – unverzüglich.«
Hayden begab sich unter Deck in die Messe, wo sich die Offiziere eingefunden hatten, die während dieser Wache nicht benötigt wurden. Ransome war zugegen, wie auch der Schiffsarzt, des Weiteren Leutnant Hawthorne und Smosh. Hayden setzte sich an den für ihn eingedeckten Platz – den Ehrenplatz an der Tafel –, woraufhin sich alle anderen setzten.
»Wie ich soeben erfuhr, hat sich ein drittes Schiff dem kleinen Geschwader angeschlossen«, eröffnete Smosh das Gespräch bei Tisch und ließ sich von einem Diener eine Portion der Schiffsmahlzeit vorlegen, mitsamt Zwiebeln und Erbsenpüree. Er warf einen Blick in Haydens Richtung.
»Ganz recht, Reverend, aber bislang wissen wir noch nicht, ob sich dieses Schiff uns anschließen möchte oder lieber Partei für den Feind ergreift. Gegen Mittag sollten wir die Antwort kennen, nehme ich an.«
Die Offiziersmesse befand sich zwar in einer der erträglichen Bereiche achtern im Unterdeck – wo die Bewegungen des Schiffs sich für gewöhnlich nicht so stark auswirkten –, aber im Augenblick wogte sie See so heftig, dass es eigentlich keinen ruhigen Bereich an Bord gab. Des Öfteren war Geschicklichkeit bei Tisch gefragt, um zu verhindern, dass ein Teller zu Boden glitt oder ein Glas umfiel.
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