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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Insbesondere die Gläser und deren Inhalt bedurften großer Aufmerksamkeit. Hawthorne meinte, die Gläser seien nun nicht mehr so wichtig, da Guernsey – und damit die Aussicht auf geschmuggelten Wein – vorerst in weite Ferne gerückt war.
    »Ist es nicht eigenartig«, sinnierte Smosh, »dass unsere Regierung alles unternimmt, um den Schmuggel zu unterbinden, und trotzdem gibt es wohl kaum einen Abgeordneten im Parlament oder einen Staatsdiener, der keinen geschmuggelten französischen Wein trinkt und womöglich seine Gemahlin in französische Spitze kleidet.«
    »Das ist Teil der menschlichen Natur, Reverend Smosh«, versicherte ihm Hawthorne. »Ich kenne so einige Männer, die keine Gelegenheit auslassen, fromme Ansichten kundzutun, doch sobald ihre Frauen außer Sichtweite sind, führen sie ein Lotterleben wie manch ein Schurke. Um ehrlich zu sein, mich würde es nicht wundern, wenn es sich bei diesen Herren um genau die Abgeordneten oder Staatsdiener handelt, von denen Sie sprechen. Wir sind nicht unbedingt eine bewundernswerte Rasse, denke ich – die hier Anwesenden einmal ausgenommen.«
    »Wir sind in unserem Leben einfach zu viel auf See«, merkte der Schiffsarzt trocken an. »Um ein wahres Luderleben zu führen, braucht man Zeit und Eifer, wie bei jeder anderen Betätigung auch.«
    »Ich wage zu behaupten, Dr. Griffiths, dass es da einige Männer im Unterdeck gibt, die recht lasterhaft sind, sobald sich ihnen eine Gelegenheit bietet.«
    »Das mag sein, aber es handelt sich dabei nur um die gewöhnlichen Laster, Reverend. Geht es indes um die ausgereifte Art der Verderbtheit, so muss man sich, denke ich, den Lastern mit Leib und Seele verschreiben – aber nicht, dass Sie glauben, ich wäre ein Fachmann auf diesem Gebiet!«
    »Das freut mich zu hören, Doktor«, erwiderte Smosh mit einem Schmunzeln. »Die Scheinheiligkeit jedoch, wenn ich noch einmal auf unser Thema von eben zurückkommen darf, ist so verbreitet, wie Mr Hawthorne es sagt, aber ich kann mir das auch nicht erklären.«
    »Wir wissen jedenfalls, dass unser Doktor frei von diesem Laster ist«, sagte der Leutnant der Seesoldaten. »Er hat ja schließlich den hypokritischen Eid abgelegt.«
    Dieser Scherz löste lautes Lachen aus – vielleicht lachten die Männer sogar mehr, als es bei einem Scherz dieser Art angemessen gewesen wäre. Aber da die Anspannung an Bord in letzter Zeit so groß war, nahmen sie jede Gelegenheit wahr, um einmal befreit auflachen zu können.
    Die Mahlzeit währte nicht allzu lange, und kurz darauf entschuldigten sich die Offiziere und widmeten sich wieder ihren Aufgaben. Hayden und der Schiffsarzt saßen noch am Tisch und tranken Kaffee. Nachdem Hayden sich pflichtbewusst nach den Kranken und Verletzten erkundigt hatte – natürlich auch nach dem Befinden des Doktors –, erstarb die Unterhaltung seltsamerweise bald. Schweigen senkte sich herab, was gerade bei Hayden und Griffiths ungewöhnlich war. Aber Hayden hing immer wieder seinen eigenen Sorgen nach, und der Schiffsarzt – nun, Hayden konnte schlecht einschätzen, was Griffiths beschäftigen mochte.
    Nach einer Weile hatte Hayden den Eindruck, dass der Doktor etwas sagen wollte, doch dann schien er es sich noch einmal überlegt zu haben oder wusste offenbar nicht, wie er beginnen sollte. Schließlich sagte er jedoch: »Sie haben vielleicht das Gerücht mitbekommen, Kapitän, dass ich meinem Mündel aus Gibraltar geschrieben habe – Miss Brentwood?«
    »Mir war nicht bewusst, dass sie Ihr Mündel ist. Ich wusste nicht einmal, dass Sie sich verantwortlich für die junge Frau fühlen.«
    Der Doktor sank in seinen Stuhl zurück und wirkte verlegen, obwohl er sich keine Blöße geben wollte. »Ja, ich denke, dass ich diese Verantwortung übernommen habe, Kapitän. Wir haben uns Briefe geschrieben, Miss Brentwood und ich, und ich bin überzeugt davon, dass sie der Ehrlosigkeit den Tod vorziehen würde, und das kann ich einfach nicht zulassen.«
    Hayden ging darauf nicht sofort ein, sondern überlegte, was er zu diesem heiklen Thema sagen sollte. »Mir ist bewusst, Dr. Griffiths, dass Sie eine Schuld mit sich herumtragen – eine Schuld, die unberechtigt ist, wie ich betonen möchte –, weil vor Jahren eine junge Frau unter ähnlichen Umständen gestorben ist. Aber das macht Sie noch nicht zu dem Beschützer jeder jungen Frau, die eine Hand verloren hat oder im Leben vom Pech verfolgt ist.«
    Der Schiffsarzt suchte Haydens Blick. »Wenn nicht ich, wer dann?«
    »Wie

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