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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sollte?«
    »Durchaus«, sagte Henrietta. »Fügt ruhig die Eigenschaften hinzu, die ihr haben wollt, aber wir verlieren unser Herz nun einmal an den Mann, an den wir es verlieren. Das können wir eben nicht immer beeinflussen. Einige Frauen beschließen vielleicht, nicht aus Liebe zu heiraten, aber für diejenigen, die es tun …« Sie rang die Hände und zuckte hilflos mit den Schultern. »Wir können nur beten, dass der Mann, der unser Herz erobert, gut und freundlich ist. Darüber hinaus: Wünscht euch, was ihr wollt, aber klammert euch nicht zu sehr an eure Erwartungen.«
    »Sie meinen also, dass das Herz seine eigenen Entscheidungen trifft und den Kopf außen vor lässt?«
    »Ich fürchte, ja, Mr Wilder. Und dann sollten wir all unsere Wünsche und Hoffnungen beiseitelegen und das Beste aus der Situation machen, in der wir uns befinden.«
    »Das Herz zeigt in diesen Belangen wenig Weisheit, Miss Henrietta«, sagte Wilder. »So habe ich es zumindest beobachtet.«
    »Kann sich eine Frau nicht aufgrund der Eigenschaften, die wir aufgezählt haben, in einen Mann verlieben?«, schlug Mrs Hertle vor. »Denn sind das nicht genau die Qualitäten, die unsere Gefühle wecken?«
    »Also ein Haus und ein komfortables Einkommen?«
    »Das sind alles materielle Dinge, Mr Wilder. Ich meine die menschlichen Charakterzüge.«
    »Das klingt alles sehr reif, Mrs Hertle. Aber ist das Herz denn immer so abgeklärt und erfahren?«
    »Elizabeths schon«, teilte Henrietta den anderen mit. »Ihr Herz hat sich nie von einem hübschen Gesicht oder von der dünnen Schicht des Charmes beeinflussen lassen. Nein, sie verliebte sich in Kapitän Hertle, weil er so war wie sie. Damit dürfte alles gesagt sein.«
    »Na, ein bisschen romantischer bin ich schon veranlagt, Henri!«, protestierte ihre Cousine.
    »Ja, meine Liebe? Dann kennt nur ihr beide, Robert und du, die wahren Gründe eurer Liebe.«
    »Und so sollte es ja wohl auch sein«, entgegnete Elizabeth.
    Nachdem die Herren sich ausreichend gestärkt hatten und »genährt« wirkten und die Damen bloß von dem Picknick genascht hatten, um ja nicht zuzunehmen, brachen sie auf. Elizabeth zog Pen mit sich, um ihrer jüngsten Cousine den herrlichen Ausblick zu zeigen, doch Pen kam nur widerwillig mit. Cassandra und Wilder begaben sich derweil auf die höchste Stelle des Hügels, um die Aussicht zu genießen und von dort oben die berühmte Eiche zu suchen, die angeblich zur Geburt von Königin Elizabeth gepflanzt worden war. Aber das glaubte in Wirklichkeit niemand. Dennoch sah die Eiche entsprechend knorrig aus und fiel schon allein aufgrund ihres Stammumfangs auf.
    Henrietta und Beacher blieben hingegen noch eine Weile auf der Decke sitzen und genossen die warme Aprilsonne. Beacher brauchte einen Moment, um sich Mut zuzusprechen, aber dann sagte er: »Henri?«
    Sie hob ihr Gesicht der Sonne entgegen, hatte die Augen geschlossen und ein Lächeln auf den Lippen. »Hm?«
    »Gestern Abend, als du dich nach dem Gesundheitszustand deines Vaters erkundigt hast – ich meine nach dem Dinner …«
    »Ja?«
    »Nun, ich hatte den Eindruck, dass du mich eigentlich etwas anderes fragen wolltest, es dir aber im letzten Moment anders überlegt hast …«
    »Ach, das.« Sie lachte leise. »Elizabeth hatte diese absurde Idee – es ist mir fast peinlich, es auszusprechen. Versprich mir, dass du nicht lachst.«
    »Versprochen.«
    »Sie meinte nur, dass deine Gefühle mir gegenüber – nun, dass diese Gefühle mehr romantischer als brüderlicher Natur seien, und da wollte ich das zur Sprache bringen. Aber dann wurde mir bewusst, dass das nicht sein konnte. Wir sind unser ganzes Leben wie Bruder und Schwester gewesen. Es wäre ja beinahe – unanständig, wenn einer von uns andere Gefühle hegte.« Sie lächelte, als wollte sie sagen: »Da siehst du, wie töricht ich war.«
    »Aber es ist doch so, wie du sagst, Henrietta«, fasste Beacher sich ein Herz, doch er kam nicht über ein Flüstern hinaus.
    Henrietta hatte die Augen aufgerissen und starrte ihn vollkommen erstaunt an. »Wie meinst du das?«
    »Meine Gefühle für dich – sie sind schon seit langer Zeit – nicht brüderlicher Natur, um ehrlich zu sein.«
    »Frank, hör auf zu scherzen.«
    »Nein, ich meine es wirklich ernst.«
    »Oh, Frank«, sie hielt sich eine Hand vor den Mund, »das darf nicht sein. Sollten wir nicht wie Geschwister sein? So habe ich es mir immer vorgestellt – dass wir bis ins hohe Alter wie Bruder und Schwester füreinander

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