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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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du?«
    »Ich habe das Gefühl, als ob – als ob sich alles um mich herum dreht, bis ich mich nicht mehr auf den Beinen halten kann, und jeder – jeder, der mir eine Hand entgegenstreckt, tut das nur, um mich noch schneller herumzuwirbeln.«

K APITEL SECHS
    Als Hayden wieder an Deck stieg, stellte er fest, dass sich der Wellengang und das Wetter nicht verändert hatten, nur der Wind hatte ein wenig auf Nordwest gedreht. Für gewöhnlich hieß er die länger werdenden Tage im Frühjahr willkommen und spürte, dass ihn dann ein Gefühl von Freude und Hoffnung durchströmte, doch unlängst kam ihm der lange Tag wie ein weiterer Feind vor. Seine einzige Hoffnung, den Franzosen zu entkommen, war die Dunkelheit. Das fast unstillbare Verlangen, immer wieder den Horizont abzusuchen, war zu einer Obsession geworden: Nein, er durfte sich nicht darauf verlassen, dass ihm britische Schiffe zu Hilfe eilten. Und die Furcht, auf ein viertes französisches Schiff zu stoßen, konnte er nur schwer unterdrücken.
    Es war die Pflicht des Kapitäns, in einer Situation wie dieser Ruhe und Zuversicht auszustrahlen, aber Hayden hätte nie gedacht, wie schwierig es war, diesen Vorsatz zu beherzigen. Denn es gab wenig Anlass für Zuversicht. Wenn dieser elende Sturm nachließ, könnten die französischen Schiffe bei günstigerem Wind aufschließen, während die Themis womöglich nur schlingerte. Im Augenblick jedenfalls war der Sturm sein Verbündeter.
    Es gab so viele Spielarten des Wetters und des Pechs, dass ihm schon der Kopf wehtat. Hin und wieder drängten die Sorgen hinsichtlich Henrietta ungebeten in sein Bewusstsein, und dann hatte er alle Mühe, seine Gedanken auf andere Dinge zu lenken. Dass sein Geist selbst in dieser Gefahr immer wieder zu Henrietta zurückkehrte, zeigte Hayden nur, wie sehr ihn die Entfremdung beunruhigte.
    Die Schiffsglocke ertönte. Noch fünfeinhalb Stunden, bis das Tageslicht abnahm. Wenn die Wolkendecke so dicht blieb, würde die Dämmerung kurz ausfallen, und weder das Sternenlicht noch der Mond würden die See beleuchten. Im Schutz der Dunkelheit könnte ihnen die Flucht gelingen. Hayden richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Verfolger und schätzte die Geschwindigkeit der Schiffe ab. Es musste ihnen gelingen, auf Distanz zu bleiben. Sollten die Franzosen auf einige hundert Yards herankommen, bliebe der Themis kaum noch Gelegenheit zur Flucht.
    Hayden sprach mit dem Maat des Masters. Er erklärte Dryden, wie es um Barthe stand, und legte ihm die missliche Lage dar.
    »Ich habe Mr Barthes Koppelnavigation weitergeführt, Sir, und dabei alle Strömungen und die Abdrift berücksichtigt. Ich glaube nicht, dass ich bei unserer momentanen Position so weit danebenliege, obwohl eine Landmarke natürlich willkommen wäre.«
    »Wir werden frühestens in einigen Stunden Land zu sehen bekommen. Das hängt davon ab, was wir in der Nacht tun. Wenn der Wind so bleibt, werden wir in Richtung Süden gedrückt. Ernst wird es für uns, wenn wir gezwungen sind, die Spitze der Bretagne zu umrunden. Bei diesem Wetter können wir kaum weiter als eine Seemeile sehen, und bei wenig Seeraum dürfen wir nicht zu nah an eine Leeküste heran. Das wäre dann das Ende für uns.«
    Zusammen mit dem Maat des Masters begab Hayden sich unter Deck und konsultierte die Seekarte. Sie gingen noch einmal sämtliche Kalkulationen durch und kamen zu dem Schluss, dass die Berechnungen präzise waren. Das Standliniendreieck, in das Dryden die Themis gezeichnet hatte, war größer, als es Hayden lieb sein konnte, aber er war davon überzeugt, dass man ihre Position nicht besser hätte eingrenzen können. Wichtig war bei diesen Berechnungen, dass man sich bewusst machte, dass sich das Schiff nicht exakt im Mittelpunkt des Dreiecks befand, sondern irgendwo innerhalb der Seitenlinien.
    Wieder an Deck, strebte Hayden sofort zur Heckreling. Der Anblick der Verfolger war wie eine juckende Stelle, die man kratzen musste. Wieder und wieder drängte sie sich ins Bewusstsein. Jemand räusperte sich in Haydens Nähe.
    »Ah, Mr Hawthorne«, sagte Hayden und winkte den Leutnant der Seesoldaten zu sich. »Brauchen Sie meine Hilfe?«
    »Keineswegs, Sir. Ich wollte nur einen besseren Platz finden, um mir die Franzosen anzuschauen. Deren Uniformen sind so elegant geschnitten, finden Sie nicht?«
    »Nicht besser als die Ihrige, Mr Hawthorne.«
    Der Leutnant trat neben Hayden. Im selben Moment kam Ransome und berichtete, sie seien bei den Aufgaben, die Hayden

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