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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Männer nicht so treffsicher wären.
    Matrosen schafften unterdessen Waffen an Deck – Piken und Entermesser, Pistolen und Beile -, die an die Männer verteilt wurden. Die Offiziere wiesen die Bewaffneten an, sich mittschiffs in der Kuhl einzufinden, wo sie vorerst nicht vom Feind entdeckt werden konnten. Zwei junge Offiziere befehligten fortan das Enterkommando. Die Taue mit den Enterhaken lagen zum Werfen bereit.
    Nach Haydens Dafürhalten war das Entern bei dieser wogenden See äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
    In diesem Augenblick eröffneten die britischen Scharfschützen das Feuer, und eine Sache war schnell klar – die Seesoldaten hatten das Enterkommando doch entdeckt, denn sie schossen sowohl auf die Männer in der Kuhl wie auch auf das Quarterdeck.
    Lacrosse schien Hayden vergessen zu haben und kam seinen Aufgaben gelassen nach. Hayden merkte indes recht schnell, dass der revolutionäre Geist der Liberté von der Crew Besitz ergriffen hatte, denn die Männer nahmen die Befehle ihrer Vorgesetzten nicht widerspruchslos entgegen. Zwar konnte Hayden nirgends offene Rebellion entdecken, aber die Männer wirkten zögerlich, bisweilen widerwillig. An Bord seines Schiffes wäre diese Nachlässigkeit absolut inakzeptabel gewesen.
    Die französischen Seeleute waren keine Meuterer, aber auch sie – wie Lacrosse – konnten das Fallbeil der Guillotine förmlich hören, allerdings bedeutete der Laut, dass die Köpfe ihrer Unterdrücker in den Korb fielen. Lacrosse, das wusste jeder an Bord, konnte von einem Tag auf den anderen abgelöst werden. Niemand fürchtete ihn, niemand zollte ihm den Respekt, den ein Kommandant verdiente. Er war nicht mehr als ein mit Stroh ausgestopfter Uniformrock.
    Zu Beginn hatte Hayden das Kommando über eine sehr unzuverlässige Crew gehabt und empfand daher so etwas wie Mitleid für Lacrosse. Andererseits hielt sich dieses Mitleid in Grenzen, ahnte er doch, dass die gegenwärtige Situation den Briten die Verfolgung leichter machte. Musketenkugeln hagelten auf die Planken, und einer der Männer am Steuerrad sackte tödlich getroffen zusammen. Die Kugel hatte ihn am Hinterkopf erwischt. Ein junger Aspirant – ein Junge, der noch nicht einmal im Stimmbruch war – wurde am Bein verletzt, und als er zu Boden ging, traf ihn eine weitere Kugel in den Unterleib.
    Im Sterben grub er einem anderen Aspirant , der sich zu ihm hinabbeugte, die Finger in die Schulter. »Les anglais« , keuchte er, »haben mich getötet …« In seinem Blick, in dem eben noch so viel Unschuld gelegen hatte, war nun schreckliche Gewissheit zu lesen. »Sie haben mich getötet …« Dann ließ er seinen Freund los, schloss die Augen und sank auf die Planken. Dort lag er wie ein schlafendes Kind.
    Ein Grummeln und Murren ging durch die Reihen des Enterkommandos in der Kuhl, und manch einer warf dunkle, anklagende Blicke in Richtung des Kapitäns und dessen Offiziere. Plötzlich, zu Haydens Erstaunen, erhoben sich die Männer in der Kuhl, strömten trotz der Befehle der Leutnants unter Deck und brachten sich dadurch in Sicherheit vor den englischen Kugeln.
    Als Hayden daraufhin in Lacrosses Richtung sah, entdeckte er den Kapitän neben den Rudergängern. Der Franzose stand reglos da, gab keine Befehle und protestierte auch sonst in keiner Weise gegen diese unglaubliche Befehlsverweigerung. Seiner Miene und seiner ganzen Haltung war zu entnehmen, dass er wusste, dass er nichts mehr tun konnte. In diesem Moment wurde Hayden klar, dass die Droits de l’Homme verloren war, falls Lacrosse keinen Hafen mehr anlaufen oder im Schutz einer Küstenbatterie vor Anker gehen konnte. Das musste auch einem Mann wie Lacrosse bewusst geworden sein, mochte er sich auch noch so gelassen geben.
    Der französische Kommandant wandte sich vom Steuerrad ab und schaute hinüber zu den britischen Schiffen.
    Nun , dachte Hayden, man brauchte nicht lange nach Erklärungen zu suchen, warum die Gefechte im Seekrieg meistens von den Briten gewonnen wurden .
    Die Schiffe der Royal Navy schlossen auf, und Hayden glaubte, dass sie bald in der Lage wären, ihre Breitseiten abzufeuern. Inzwischen überlegte er fieberhaft, wie er am schnellsten unter Deck käme. Sich den Geschützen des Feindes entgegenzustellen, war ehrenhaft – es war aber vollkommen töricht, sich von britischen Kanonen zerfetzen zu lassen, nur um den eigenen Wagemut unter Beweis zu stellen.
    Eine heftige Bö ergriff alle drei Schiffe. Der Wind drückte sie voran und

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