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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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strapazierte das Segeltuch. Der Vierundsiebziger schien auf einer hohen Welle abzurutschen, fing sich wieder und trieb dahin. Im selben Moment riss das Großsegel auf der Indefatigable , sodass der Razee sofort zurückfiel.
    Hayden fragte sich, wie lange die Segel an Bord der Droits de l’Homme noch halten mochten, zumal viele von Kugeln durchlöchert waren, aber bislang schienen sie dem Wind zu trotzen. Der heftige Wind hielt etwa zehn Minuten an, und Hayden fragte sich schon, ob es nur Böen waren oder ob der Wind insgesamt aufgefrischt hatte und sich zum Sturm auswuchs. Doch mit einem Mal ließ der Wind nach, das Schiff verlor an Fahrt.
    Im selben Moment ertönten vom Vorderdeck die Rufe »Land! Land voraus!« In der Stimme lag so viel Panik, dass sofort alle Blicke zum Bug huschten. Aus dem Grau ragten Klippen auf, und die Brecher am Bug wallten mit weißer Gischt auf.
    Lacrosse machte einen Satz zum Steuerrad und riss es nach Steuerbord.
    Instinktiv sprang Hayden auf die Reling, dachte nicht weiter über die Gefahr nach, hielt sich an den Wanten des Kreuzmasts fest und schrie aus Leibeskräften auf Englisch: »Land voraus! Land voraus!«
    Er wusste nicht, ob man ihn gehört hatte, aber der Razee begann, nach Steuerbord zu schwenken, während die Fregatte nach Backbord drehte. Ehe die Droits de l’Homme einen Strich vom Kurs abwich, verlor Hayden das Gleichgewicht und landete auf allen vieren auf dem Deck. Eine der Kanonen fuhr auf ihrer Lafette zurück und verfehlte ihn nur knapp. Voraus drang ein Krachen und Splittern herüber, und der Fockmast fiel über den Bug. Das Schiff war auf Grund gelaufen.
    Als Hayden auf die Beine kam, sah er gerade noch, dass die Indefatigable abdrehte, den gefährlichen Brechern auswich und nach Süden driftete. Der Fregatte schien das Ausweichmanöver ebenfalls zu gelingen, doch dann lief auch sie auf Grund und begann sofort zu kentern. Hayden sah, wie die erste Welle über die Bordwand spülte und wie das Kupfer am Rumpf aufblitzte.
    Eine Welle hob das Heck der Droits de l’Homme und warf das Schiff nach Backbord. Hayden bemerkte, dass Wasser ins Batteriedeck drang. Zweifellos kam es durch den beschädigten Heckspiegel.
    Lacrosse schrie Befehle, aber die Offiziere waren in Panik geraten. Die Besatzungsmitglieder sprangen in die Wanten und enterten auf, aber im selben Moment brach auch der Großmast und schüttelte die Männer wie überreifes Obst auf die Planken. Hayden eilte über das schräge Deck zu Lacrosse.
    »Capitaine!« , rief er in all dem Durcheinander und Gewirr aus Stimmen und Schreien. »Meine Offiziere – sie sind unter Deck eingeschlossen!«
    Der Franzose packte einen verängstigten Aspirant bei der Schulter und rief ihm ins Ohr: »Gehen Sie mit Capitaine Hayden unter Deck und lassen Sie seine Männer frei!«
    Der Bursche, der nicht viel älter als fünfzehn sein konnte, befahl den beiden Männern, die Hayden bislang bewacht hatten, mit unter Deck zu kommen. Als sie aber im oberen Batteriedeck ankamen, schlossen die Wachen sich dem Strom der Männer an, die aus den unteren Decks nach oben drängten.
    »Wir müssen uns beeilen!«, rief Hayden.
    Aber die Männer, die aus dem Innern des Schiffes nach oben strömten, ließen Hayden nicht vorbei. Er und der Junge mussten den Flüchtenden Platz machen, bis Hayden das Gefühl hatte, die gesamte Besatzung von sechshundert Seelen sei an ihm vorübergehastet. Der junge Bursche an seiner Seite sah so verängstigt aus, dass Hayden schon befürchtete, der Junge würde sich den anderen Crewmitgliedern anschließen. Das Wasser lief bereits ins nächst untere Deck, und die Leiter hing schräg, als die Droits de l’Homme nach Backbord krängte.
    Mit jedem Wellenschub wurde das Schiff weiter auf die Felsen gedrückt. Hayden und sein Begleiter hätten beinahe das Gleichgewicht verloren und wateten durch das kniehohe Wasser. Das untere Deck war halb geflutet, auf der Backbordseite stand das Wasser fast bis zu den Decksbalken. Die Laternen, die zuvor dort gehangen hatten, waren erloschen oder fort, und durch die Luken fiel kaum noch Licht nach unten. Trotz der schabenden Geräusche des Schiffsrumpfs auf den Felsen und dem allgemeinen Durcheinander konnte Hayden die Stimmen seiner Kameraden hören. Die Männer riefen um Hilfe und hämmerten gegen die Tür des Verschlags. Die beiden Wachen hatten längst das Weite gesucht, aber die Tür war nach wie vor verriegelt und verschlossen.
    »Ich habe keinen Schlüssel«, sagte der Aspirant

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