Zu gefährlicher Stunde
antwortete er. »Genauer gesagt, des Diebstahls und der Nutzung
einer Kreditkarte, die sich im Besitz von — «
»Ich bringe sie runter«, sagte sein
Kollege.
Ich sah Julia an. Sie stand jetzt
aufrecht, überragte den Beamten, der sie verhaftet hatte, um glatte fünf
Zentimeter. Ihre strengen Gesichtszüge waren wie versteinert, ihre dunklen
Augen blickten leer. Sie sah mich nicht an.
Als Jugendliche war sie schon einmal in
einer solchen Situation gewesen und kannte die Routine, die damit einherging.
Ich sagte: »Geh mit, Jules. Ich rufe
Glenn Solomon an.«
Als ich den renommiertesten
Strafverteidiger der Stadt erwähnte, blieb der Inspektor, der Julia gerade zur
Treppe bringen wollte, stehen und funkelte mich an. Gott sei Dank war er der
Partner von Williams, einem beherrschten Cop, der es mit den Vorschriften sehr
genau nahm.
Als er Julia die Treppe hinunterschob,
berührte ich Williams am Arm. »Augie, er soll es ruhig angehen.«
Er nickte entsclilossen.
»Wie war das doch gleich mit der
Kreditkarte? Sie befand sich im Besitz von wem?«, fragte ich.
Williams sah auf mich herunter — ein
großer, gut aussehender Mann mit dunkelbrauner Haut, kurzem grauem Haar und
sorgenvollen Augen, denen man den Schlafmangel ansah. Gute Cops bekamen selten
genügend Schlaf.
»Eine Kreditkarte, die Alex Aguilar vom
Stadtrat gehört. Er gibt an, Ms Rafael habe sie ihm im vergangenen Monat aus
der Brieftasche gestohlen, nachdem er ihre sexuellen Annäherungsversuche
abgewiesen hatte. Seither habe sie damit für über fünftausend Dollar Einkäufe
getätigt.«
Alex Aguilar. Gründer und Leiter von Trabajo
para Todos — Arbeit für alle — , einem Ausbildungsprogramm im Mission
District, das die benachteiligten Latinos aus der Stadt in ein geregeltes
Berufsleben integrieren sollte. Seit zwei Legislaturperioden Mitglied des
Stadtrats. Arbeitete angeblich daran, unser erster hispanischer Bürgermeister
zu werden.
Alex Aguilar — unser ehemaliger Klient.
Er hatte uns beauftragt, eine Serie von Diebstählen im Ausbildungszentrum zu
untersuchen. Ich hatte Julia hingeschickt, weil sie meine einzige hispanische
Mitarbeiterin war. Ich rief Aguilar an, nachdem sie die Untersuchung
zufriedenstellend abgeschlossen hatte* und er erklärte, er sei erfreut und
werde uns weiterempfehlen.
Und nun beschuldigte er sie des
schweren Diebstahls.
»Das glaube ich nicht.«
Williams zuckte die Achseln. »Tut mir
leid, Sharon, aber das ist noch nicht alles. Ich habe hier einen
Durchsuchungsbefehl für sämtliche Bereiche Ihrer Firma, zu denen Ms Rafael
Zugang hatte.«
Ich nahm das Schriftstück entgegen, als
zwei uniformierte Polizisten die Treppe heraufkamen. Auf dem
Durchsuchungsbefehl waren Pakete und Waren aufgelistet, die von verschiedenen
Versandhäusern und Online-Shopping-Firmen stammten. Und eine Kreditkarte auf
den Namen A. Aguilar.
Der Durchsuchungsbefehl war in Ordnung.
»Na los, suchen Sie«, sagte ich.
Ich begleitete Williams und seine Leute
in das Büro, das Julia mit Craig Morland teilte. Craig war nicht da, und im
Büro war keiner der Gegenstände zu finden, die im Durchsuchungsbefehl
aufgeführt waren. Als sie fertig waren, sagte Augie: »Zu welchen Bereichen
hatte sie sonst noch Zugang?«
»Zu allen. Ich vertraue meinen
Mitarbeitern, es gibt keine Beschränkungen.«
War es falsch gewesen, Julia zu
vertrauen? Angesichts ihrer Vergangenheit?
Ich schob diese Zweifel beiseite und
fügte hinzu: »Fangen wir mit meinem Büro an.«
Nachdem Williams und die Uniformierten
mit leeren Händen abgezogen waren, sagte ich zu Ted: »Ruf bitte Glenn Solomon
für mich an.«
Ted zögerte, dann sah er Mick an, der
neben ihm stand. »Können wir allein reden?«
»Natürlich.«
Wir gingen in sein Büro, und er schloss
die Tür. »Du hast ihnen nichts von der Poststelle gesagt.«
»Ist mir entfallen.«
»So was entfällt dir nicht. Du hast es
absichtlich verschwiegen. Soll das heißen, du hältst Jules für schuldig?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll.
Sie müssen ganz schön zwingende Beweise haben, wenn sie einfach reinmarschieren
und sie ohne Vorladung verhaften.«
Ted verschränkte die Arme, lehnte sich
an den Schreibtisch und schüttelte seine schwarz-grau melierte Zottelmähne. Er
ließ zur Zeit seine Haare wachsen, und sie befanden sich momentan in einem
wilden Stadium. »Ich kann nicht glauben, dass du ihr so wenig vertraust.
Immerhin hast du sie trotz ihrer Vorstrafen eingestellt. Du bist diejenige, die
sie
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