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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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kostspielig gekleidet. Während er mit denen,
die ihm nahestanden, großzügig und freundlich umging, bedachte er seine Gegner
gern mit ätzendem Sarkasmus. Wie eine Kobra besaß er einen sechsten Sinn dafür,
wann und wie hart er zuschlagen musste. Ein Mann, den man nicht gern als Feind
haben wollte. Ich hatte in den Jahren, in denen er mir den einen oder anderen
Fall zugeschanzt hatte, gelernt, ihn behutsam anzufassen. Doch heute Abend
wirkte er müde, erinnerte so gar nicht an den aggressiven Strafverteidiger, der
mit Donnerstimme Staatsanwälte und Zeugen ins Bockshorn jagte.
    Er hing im Sessel und fuhr sich über
die geröteten Augen und das stoppelige Kinn. »Mein Gott, ist dieses Gefängnis
deprimierend. Normalerweise schicke ich einen Mitarbeiter hin, um die
Vorarbeiten zu erledigen.«
    »Aber für Julia bist du selbst
hingefahren.«
    »Wie gesagt, sie interessiert mich.
Oder sie erinnert mich an meine bescheidenen Wurzeln, was gar nicht schaden
kann. Und natürlich sorge ich mich um dich, meine Freundin.«
    Seine Worte rührten mich. »Danke.«
    »Kein Grund zum Dank. Was deine Ms
Rafael betrifft: Sie ist im Gefängnis Nummer zwei im sechsten Stock der Hall
untergebracht. Höchste Sicherheitsstufe, keine Kaution vor der Vernehmung zur
Anklage und keine Besucher bis auf mich.«
    »Wieso höchste Sicherheit?«
    »Weil es ein heikler Fall ist, in den
ein Mitglied des Stadtrats verwickelt ist, und wegen ›Verhaltensproblemen‹.
Will heißen, sie hat sich der Verhaftung widersetzt, und man vermutet
Fluchtgefahr.«
    »Hast du mit ihr gesprochen?«
    »Nur kurz. Sie behauptet, die
Verhaftung sei völlig überraschend erfolgt. Aguilar habe sie nach Abschluss der
Ermittlungen zum Essen eingeladen, und sie hätten sich in gutem Einvernehmen
getrennt. Bestreitet jegliche Annäherungsversuche ihrerseits wie auch den
Diebstahl seiner Kreditkarte.«
    »Glaubst du ihr?«
    »Ja. Für so etwas habe ich einen
verdammt guten inneren Detektor. Ich habe sie als ausgesprochen aufrichtig
empfunden.«
    »Vielleicht nicht ganz so aufrichtig,
wie es scheint.« Ich berichtete ihm von der Durchsuchung und Beschlagnahme in
Sophia Cruz’ Wohnung und dem Päckchen in unserer Poststelle.
    Er runzelte die Stirn. »Da stimmt was
nicht. Mein Detektor hat mich noch nie getrogen. Sie behauptet, sie und ihre
Schwester seien seit mindestens drei Monaten nicht mehr in dem Lagerraum
gewesen. Und ich glaube ihr. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft einiges gegen
sie in der Hand. Wenn sie morgen verhört worden ist und ich einen Blick auf die
Unterlagen geworfen habe, kann ich etwas mehr sagen. Du solltest aber
vorbereitet sein. Einer meiner Informanten, der nah an den Ermittlungen dran
ist, verriet mir, dass sie eine Menge Beweise haben — die geradewegs in deine
Firma führen.«
    »Mein Gott. Nur weil die Pakete, die in
der Wohnung beschlagnahmt wurden, an die Firma adressiert waren?«
    »Vermutlich ja. Wer holt die Post ab?«
    »Ted.«
    »Ist er noch hier?«
    »Nein. Er und sein Partner Neal Osborn —
«
    »Ich kenne Neal. Ich habe schon Bücher
bei ihm gekauft.« Neal war ein Antiquar, der im Internet handelte, und Glenn
war dabei, eine Sammlung antiquarischer Werke über Strafrecht anzulegen.
    »Mittlerweile dürften sie unterwegs
nach Monterey sein. Ich weiß nicht, wo sie übernachten und ob sie ein Handy
dabeihaben. Sie kommen erst am Montag wieder zurück.«
    »Zu schade. Ich wüsste gerne, ob Ted
bemerkt hat, dass ungewöhnlich viele Sendungen für Julia angekommen sind.«
    »Er sagte, das Päckchen, das wir heute
Abend im Behälter gefunden haben, sei das erste, und damit hat er sicher Recht.
Was ist mit Aguilars Kreditkarte? Ist die wieder aufgetaucht?«
    »Noch nicht.«
    »Und nun?«
    »Ich gehe morgen die Unterlagen durch,
dann müssen wir warten, bis sie zur Anklage vernommen wird.«
    »Wann wird das sein?«
    »Am Dienstagmorgen.«
    »Dienstag!«
    »Es könnte schlimmer sein. Weil sie
heute vor vier Uhr nachmittags verhaftet wurde, liegt der Fall dem Staatsanwalt
bis Montag um vier vor. Wenn er beschließt, die Sache weiter zu verfolgen,
findet die Vernehmung am Dienstag statt. Wäre die Polizei nach vier Uhr
gekommen, würde es sogar bis Mittwoch dauern.«
    »Arme Jules. Also kann ich sie am
Wochenende nicht besuchen?«
    »Nein.«
    »Das ist unglaublich!«
    Er zuckte die Achseln. »Das Gefängnis
untersteht dem Sheriff Department, die stellen die Regeln auf. Offen gesagt,
sind sie großzügiger als die meisten anderen. Wie du

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