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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Verfahren
einstellt?«
    »Möglicherweise schon, aber sie könnten
sie dennoch weiterverfolgen. Bei Verwaltungssachen liegt die Beweislast anders
als bei Gerichtsverfahren. Nur weil der Bezirksstaatsanwalt die Vorwürfe gegen
Ms Rafael nicht zweifelsfrei beweisen kann, heißt das noch lange nicht, dass
das BSIS die Vorwürfe gegen Sie nicht beweisen kann. Dort gilt nämlich der
Maßstab klarer und überzeugender Beweismittel. Aber darüber sollten Sie sich
jetzt noch keine Sorgen machen. Ich arbeite eng mit Glenn Solomon zusammen, wir
tauschen uns über Beweismittel, Fakten und Taktiken aus. Die insgesamt beste
Lösung wäre natürlich, wenn wir beweisen könnten, dass der Diebstahl und der
Kreditkartenbetrug nie stattgefunden haben, was jedoch unwahrscheinlich ist.
Damit kommen wir zu einem Thema, das Ihnen nicht gefallen wird, da Sie sehr
loyal gegenüber Ihren Angestellten zu sein scheinen.«
    »Das ist richtig.«
    »Und lobenswert. Allerdings sollten Sie
darauf gefasst sein, dass Sie sich womöglich von Ms Rafael trennen müssen. Dass
Sie auf Distanz gehen müssen, um Ihre Lizenz zu retten.«
    Ich wollte schon protestieren, doch
Hayley hob die Hand. »Das Gesetz geht davon aus, dass Sie wissen, was Ihre
Angestellte getan hat. Letztlich müssen wir vielleicht beweisen, dass dies
nicht zutrifft. Aber bis dahin bleibt noch Zeit.«
    »Na gut. Und wie sieht Ihre Meinung zu
dem Fall aus?«
    Sie verschränkte die Hände über dem
Notizblock.
     
    »Bislang gibt es noch gar keinen Fall,
Ms McCone. Ms Rafael behauptet, sie sei unschuldig, und Glenn liegen inzwischen
die Beweise gegen sie vor. Wir haben einige Fakten und sehr viele Vermutungen.
Wir brauchen weitere Fakten und einen Rahmen, in den wir sie einfügen können.
Normalerweise würde ich an diesem Punkt meinen eigenen Ermittler hinzuziehen.«
    »Aber...?«
    »Wir brauchen ihn nicht, oder? Wer
könnte das besser erledigen als die Partei, die am meisten zu verlieren hat?«
     
    Auf dem Rückweg in die Stadt versuchte
ich, mir Mut zuzusprechen. Ich war der Aufgabe gewachsen, oder? Wenn ich an die
Fälle dachte, die ich im Alleingang gelöst hatte. Und die die Agentur als Team
gemeistert hatte. Es war egal, dass mich die Sache ganz persönlich betraf; auch
solche Probleme hatte ich schon gelöst. Einmal hatte ich eine Frau gestellt,
die meine Identität stehlen wollte. Ich hatte die Mutter gefunden, die mich
nach der Geburt weggegeben hatte, und den Vater, der nur ahnte, dass ich
überhaupt existierte.
    Noch persönlicher konnte es kaum
werden.
    Dennoch spürte ich weder
Entschlossenheit noch Enthusiasmus. Alles um mich herum schien sich aufzulösen.
Hy hatte sich plötzlich von dem unbekümmerten Mann, in den ich mich verliebt
hatte, in einen Menschen verwandelt, der nur noch ein Ziel kannte. Mein Kater
hatte Diabetes. Ich fuhr in einem Wagen, dessen Verdeck nur mit Klebeband
zusammenhielt, über die mittlerweile total vernebelte Brücke.
    Eigentlich hätte mein ganzes Leben ein
bisschen Klebeband vertragen können.
     
    Als Glenn Julia um zwei Uhr nachmittags
in sein Büro führte — sie trug noch immer die Jeansjacke und -hose vom Freitag —
, wirkte sie neben seiner maßgeschneiderten Eleganz irgendwie schäbig. Sie riss
die Augen auf, als sie die Ledermöbel, den orientalischen Teppich und das
dunkle, blank polierte Holz sah. Die Fenster des Büros hoch im Embarcadero Four
waren in Nebel gehüllt. Wir schienen uns in einem fernen, aber luxuriösen
Paralleluniversum zu befinden. Gewiss war dieses Büro von Julias Alltag so weit
entfernt wie ein anderer Planet. Ich fragte mich, ob ich in etwa so
dreingeblickt hatte, als ich am Morgen in Marguerite Hayleys Büro gesessen und
an ihre Honorare gedacht hatte.
    Glenn steuerte Julia zu einem der
Sessel vor dem Schreibtisch. Ich begrüßte sie lächelnd. Sie nickte und
versuchte, mein Lächeln mit zitternden Lippen zu erwidern.
    Glenn setzte sich an den Schreibtisch
und verschränkte die Hände über der Weste, die sich über seinem runden Bauch
spannte. Vor einigen Wochen hatte er mir anvertraut, seine Frau, die
Innenarchitektin Bette Silver, habe ihn gedrängt, »an einer dieser Maschinen zu
trainieren, die mich zu erwürgen drohen, falls ich sie nicht nett behandle«.
Bisher zeigte sein Training allerdings keine sichtbaren Resultate.
    »Wartest du schon lange?«, erkundigte
er sich.
    »Etwa eine Stunde. Aber ich hatte zu
tun.« Ich deutete auf die Ausgabe des Strafgesetzbuchs von Kalifornien, die ich
beiseitegelegt

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