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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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auf das Ungewöhnliche konzentrieren — selbst wenn es scheinbar nichts
mit der augenblicklichen Situation zu tun hat.
    Bob Stern, der Mann, der mich zur
Ermittlerin ausgebildet hatte, hatte mir diese Regel — und viele weitere
nützliche Prinzipien — eingebläut, und ich hatte sie mehr als einmal an meine
Angestellten weitergegeben.
    Konzentriere dich auf das
Ungewöhnliche.
    Verdammt richtig. Morgen früh würde ich
nach Marin County fahren.

Mittwoch, 16. Juli

 
     
     
     
     
    Laut Wegbeschreibung sollten Fahrer,
die in nördlicher Richtung unterwegs waren, auf dem Highway 101 am Olompali
State Historie Park vorbeifahren und bei der nächsten Lücke im Mittelstreifen
eine »sichere Kehrtwende« machen.
    Klar doch, dachte ich, während
Riesenlaster, Pkw und Geländewagen — allesamt zu schnell — an mir
vorbeirauschten. Mit etwas Glück würde ich den Park bei Sonnenuntergang
erreichen.
    Doch dann tat sich wie durch ein Wunder
eine Lücke auf, und ich konnte auf die Gegenfahrbahn wechseln und den Highway
an einem Schild aus Holz und Stein verlassen, das mir den Weg zum Eingang wies.
    Die kurvenreiche Zufahrtsstraße führte durch
eine ausgedörrte Wiese zu den braunen Hügeln im Westen, die dicht bewaldet
waren. Ein Eselhase schoss über den Weg, sodass ich heftig bremsen musste. Er
rannte neben mir her, als wollte er sich ein Rennen mit dem MG liefern, und
tauchte dann ins Unterholz.
    Die Straße mündete in einen Parkplatz,
auf dem mehrere Fahrzeuge, darunter ein Pferdeanhänger, standen. Ein Reiter auf
einem Rotschimmel lenkte sein Tier gerade auf einen Reitweg. Ich stieg aus und
warf meine leichte Jacke auf den Rücksitz. Die Luft hier oben war sehr warm und
klar, der Himmel wolkenlos und ganz anders als in der nebelverhangenen Stadt.
Ich schätzte die Temperatur auf etwas über dreißig Grad. Einen Moment lang
blieb ich reglos stehen, genoss die Wärme und die Gerüche, die in der Luft
hingen — Heu, Eukalyptus und Lorbeer. Dann kaufte ich eine Eintrittskarte und
ging zu einem gepflasterten Weg, der zu einer Gruppe weiter entfernt liegender
Gebäude führte.
    Bis auf ein Paar, das sich auf einer
Decke neben einem riesigen Eisenkessel sonnte, der nach Hexenküche aussah, war
ich in diesem Teil des Parks allein. Ich nickte den Sonnenanbetern zu und ging
zu den Gebäuden hinüber. Das nächstgelegene war ein seltsamer architektonischer
Mischmasch, der hintere Teil ein zweistöckiges Backsteinhaus in schlechtem
Zustand, der vordere Trakt ein gesichtsloser schindelgedeckter Kasten mit
Alufenstern, zu dem Ziegelstufen hinaufführten. Ich spähte durch die staubigen
Fenster in einen dunklen Raum, in dem Baumaterial lagerte.
    Auch im Backsteinhaus und einem benachbarten
gelben Holzhaus fand ich niemanden. Doch von der anderen Seite des Weges, wo
breite, bemooste Stufen in einen parkähnlichen Garten mit geometrisch
angelegten Beeten hinunterführten, waren Geräusche zu hören. Eukalyptusbäume,
Eichen, Walnussbäume und einige der höchsten und schlanksten Palmen, die ich je
außerhalb von Südkalifornien gesehen hatte, spendeten Schatten. Ein Mann in
Arbeitskleidung warf einen abgebrochenen Ast auf eine Schubkarre, die neben
einem riesigen Steinhaufen mitten im Garten stand. Ich ging die Treppe hinunter
und entdeckte, dass es sich bei dem kunstvoll aufgeschichteten Steinhaufen, der
etwa acht Meter in der Höhe und im Umfang maß, um einen Brunnen handelte, der
von einem leeren Becken umgeben war. Überall zwischen den Steinen gähnten große
höhlenartige Aussparungen, aus denen Farne, Schmucklilien und Calla wuchsen.
Zwei Kinder rannten um das Becken und versteckten sich in den tiefer gelegenen
Höhlen.
    Der Mann warf einen weiteren Ast auf
die Schubkarre und richtete sich auf. »Kommt da raus, ihr beiden, noch mal sage
ich es nicht«, rief er den Kindern mit tiefer Stimme zu, die von einem
spanischen Akzent gefärbt war.
    Die Kinder kletterten an der Wand des
Beckens empor und rannten quiekend zu den Stufen, wo sie um ein Haar mit mir
zusammenprallten. Der Mann nahm seine Giants-Kappe ab und wischte sich mit dem
Unterarm den Schweiß vom Gesicht. Dann nickte er mir zu. »Die Eltern sollten
besser aufpassen. Ich werde zwar nicht fürs Babysitten bezahlt, aber sie
könnten sich da drinnen verletzen.«
    »Das stimmt. Wissen Sie, wo ich Ranger
James White finde?«
    »Tut mir leid, Ma’am, der arbeitet
nicht mehr hier. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
    »Wenn Sie Zeit hätten, mir einige
Fragen zu

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