Zu gefährlicher Stunde
wurden per Computer getätigt und sollten an Julia
Rafael geliefert werden.«
»Moment mal«, sagte ich. »Auf den
Aufträgen muss doch die E-Mail-Adresse des Käufers stehen.«
»Ja. Alle wurden spätabends vom
Hauptcomputer bei Trabajo para Todos aufgegeben.«
Erleichterung durchflutete mich. »Na
bitte. Julia hatte keinen Zugang mehr zu deren Computer, nachdem sie die
Ermittlungen abgeschlossen hatte. Es muss derjenige gewesen sein, der auch
Aguilars Kreditkarte hatte. Ich weiß gar nicht, weshalb der Staatsanwalt — «
Glenn schüttelte den Kopf.
»Was ist los?«
»Es existiert da ein Schlüssel zum
Ausbildungszentrum, den Julia während ihrer Ermittlungen benutzt und angeblich
nicht zurückgegeben hat.«
Ich sah sie an. »Hast du aber doch.«
Sie schüttelte den Kopf und deutete auf
Glenn. Er hielt einen Schlüssel an einer Metallkette in die Höhe.
»Ich hatte es vergessen«, sagte Julia.
»Keine Ahnung, wie das passieren konnte.«
»Was sagt dir dein Gefühl?«, wollte
Glenn wissen. »Sagt sie die Wahrheit, oder haben wir uns in ihr getäuscht?«,
fragte er, als wir allein in seinem Büro saßen.
Julia war nach Hause zu ihrem Sohn
gefahren. Sie hatte sich geweigert, das von Glenn angebotene Taxi zu nehmen,
und gesagt, sie ziehe es vor, zur Market Street zu laufen und dort die BART zu
nehmen. Sie hatte kaum Geld dabei, wollte aber von uns beiden nichts annehmen.
»Manchmal sagt sie die Wahrheit. Aber
sie hat auch etwas von einer Betrügerin — ich allerdings auch. Ohne eine
gewisse Neugier und Gerissenheit kommt man in unserem Beruf nicht weit. Mal
überschreitet man die eine, dann die andere Grenze und hofft, dass man sich
nicht zu weit vorwagt. Aber eins weiß ich genau: Julia ist nicht dumm. Und nur
ein völliger Dummkopf würde so ein Ding drehen. In diesem Fall sagt sie wohl
die Wahrheit.«
Glenn nickte und spielte mit dem
Schlüssel.
»Ich frage mich nur, warum ihn die
Polizei nicht gefunden hat. Du sagst, sie hätten ihn im Durchsuchungsbefehl für
ihre Wohnung und mein Büro erwähnt.«
»Er lag in einem vollgestopften
Behälter in ihrem Büroschreibtisch; sie haben ihn wohl übersehen. Wir haben ihn
auf dem Weg hierher geholt.« Er zögerte. »Ich nehme an, Maggie Hayley hat dir
empfohlen, dich von Julia zu distanzieren.«
»Ja. Ich habe es abgelehnt.«
»Wie siehst du es jetzt?«
Ich überlegte mir meine Worte gut. »Ich
möchte sie nicht aufgeben. Sie hat sich so gut entwickelt, seit ich sie
eingestellt habe. Ms Hayley hat mich davon überzeugt, dass die beste Strategie
darin bestehe, zu beweisen, dass die Verbrechen nicht so passiert sind, wie
Aguilar behauptet.«
»Eine ausgezeichnete Lösung, meine
Freundin. Warum fängst du nicht gleich damit an?«
Finanzchef einer karitativen
Einrichtung
stirbt bei Sturz
von Kristine Winter
Redakteurin des Chronicle
Scott Wagner, Finanzchef von Trabajo
para Todos im Mission District, starb am Sonntag, dem 22.Juni, bei einem
Wanderunfall im Olompali State Historie Park im Norden von Marin County. Ein
Handwerker, der ein Abflussrohr reparierte, fand die Leiche am Montagnachmittag
am Fuß eines Steilhangs. Laut Ranger James White war Wagner, 34, ein erfahrener
Wanderer, der den Park häufig besuchte. Er hatte noch morgens kurz nach seiner
Ankunft mit ihm gesprochen.
»Es ist ein tragischer Verlust für
Scotts Freunde, Kollegen und die Klienten von Trabajo para Todos«, sagte
Alex Aguilar, der das Zentrum mit Wagner gegründet hat. »Wir werden seinen
Elan, seine Ausdauer und seine Fähigkeiten sehr vermissen.«
Am Sonntag, dem 6. Juli, findet um
17.00 Uhr eine Gedenkfeier für Wagner im Ausbildungszentrum, 2141 Mission
Street, statt. Statt Blumen wird um eine Spende für das Zentrum gebeten.
Ich klickte auf DRUCKEN und wartete,
bis eine Kopie des Artikels vom 23. Juni aus dem Drucker glitt. Dann begann ich
eine neue Suche nach dem Olompali State Historie Park. Die Webseite lieferte
eine kurze Beschreibung mit Anfahrtsskizze: Der Park lag am Highway 101 bei
Novato, etwa dreißig Meilen von San Francisco entfernt. Er durfte nur tagsüber
genutzt werden, und es war schon nach sechs. Dennoch rief ich in der Hoffnung,
Ranger White noch zu erreichen, die angegebene Nummer an, hörte aber nur ein
Band. Ich setzte mich in meinen alten Sessel und legte die Füße auf die
niedrige Fensterbank des großen Bogenfensters. Schaute hinaus in den wabernden
Nebel.
Wenn du das Leben eines Menschen
untersuchst, musst du dich
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