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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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trank einen Schluck und unterdrückte ein Würgen.
Das Gebräu sei, so sagte sie mir, ihre persönliche Abwandlung einer Spezialität
von International Coffees. Mir kam es vor wie Instantkaffee, dem sie ein völlig
unpassendes Gewürz wie Oregano hinzugefügt hatte. Hoffentlich servierte sie den
nicht in ihrem neuen angesagten Restaurant.
    »Ich sehe den Typen im Fernsehen, bei
einem Spiel der Giants, mit dem Bürgermeister. Er lächelt. Er kommt zur
Eröffnung der neuen Sozialwohnungen, zusammen mit Leuten vom Gouverneur. Er
lächelt. Er ist in der Zeitung, im Krankenhaus bei dem kleinen Jungen, der auf
der Mission Street von der Straßenbahn angefahren wurde. Er lächelt. Aber hier
sehe ich ihn dann, wie er wirklich ist.«
    »Und er lächelt nicht.«
    »Nein. Er schimpft. Er knurrt. Er
befiehlt. Der Müll kann erst raus, wenn er es sagt. Er überwacht die
Waschküche. Lässt jemand nachts die Sachen im Trockner, schmeißt er sie in den
Müll. Meine Wohnung hat keine Garage, aber wenn ich an der Straße parke und
mein Auto auch nur einen Zentimeter vor seine Garage ragt, ruft er die
Bullen, und ich kriege einen Strafzettel. Warum sind wohl die anderen Wohnungen
leer? Die Leute sind wegen ihm ausgezogen. Und die übrigen? Reden vermutlich
nicht mit Ihnen, weil sie Angst vor ihm haben. Ich aber, ich habe keine Angst
vor ihm. Er ist Abschaum. Und die Leute, die ihn besuchen kommen?« Sie warf
voller Abscheu die Hände in die Luft.
    »Welche Leute?«
    »Billige Frauen, die Art, die ich vor
meinem Restaurant vom Gehweg verscheuche. Männer, die einen lieber aufschlitzen
als anschauen. Der eine — R.D. — hat letzten Monat wochenlang hier gewohnt. Ein
Ex-Knacki — das hab ich gemerkt, mein Schwager ist nämlich auch einer. Aber
mein Schwager ist nur ein dummer pachuco, der es einfach nicht besser
weiß. Dieser R.D. war richtig böse. Ich sag Ihnen, er muss etwas gegen Aguilar
in der Hand haben, sonst hätte der ihn nicht hier wohnen lassen. Die haben sich
vielleicht gestritten. Einmal haben sie auch was zerbrochen.«
    »Wie heißt R.D. mit vollem Namen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Keine Ahnung. Wie sieht dieser
Abschaum schon aus? Narben, Tätowierungen. Böse.«
    »Und er ist letzten Monat wieder
ausgezogen?«
    »Ja, ungefähr zu der Zeit, nach der Sie
gefragt haben. Als die Frau angeblich Aguilars Kreditkarte geklaut hat.«
    »Und Sie erinnern sich wirklich nicht
an die Frau?«
    »Hab sie nie gesehen. Aber falls sie
wirklich Aguilar beklaut hat, bravo. Der Typ hat es nicht besser verdient.«
    Ich schwieg, die Hand über der
Kaffeetasse. Verständlich, dass Angela Batista Alex Aguilar so feindlich
gesinnt war. Doch warum lebte die Besitzerin eines neuen angesagten
Restaurants, die über beste Verbindungen verfügte, unter so unerfreulichen
Umständen?
    »Ms Batista, warum ziehen Sie nicht
einfach um oder nehmen sich einen Anwalt?«
    Sie wich meinem Blick aus.
    »Ms Batista?«
    Nach einer Weile sagte sie: »Umziehen
ist teuer, Anwälte kosten noch mehr. Mein Restaurant hat erst vor sieben Monaten
eröffnet. Klar ist es angesagt, aber es wirft noch nichts ab. Ich habe meine
ganzen Ersparnisse reingesteckt und kein Geld mehr übrig.«
    »Wenn Sie vielleicht mit den
einflussreichen Leuten redeten, die Sie aus dem Restaurant kennen...«
    Sie verzog ironisch den Mund.
»Natürlich, damit würde ich mich bei den Gästen sehr beliebt machen. Aguilar
ist einer von ihnen, er isst bei mir, sowohl mit Freunden als auch mit seinen
einflussreichen Kollegen.«
    »Es muss doch eine Möglichkeit geben — «
    »Nein, die gibt es nicht.« Batista
stand auf. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, Ms McCone. Ich muss um neun im
Restaurant sein.«
    Bevor ich die Wohnung verließ,
schüttelte ich Angela Batista die Hand und sah ihr in die Augen. Und was ich
dort entdeckte, verblüffte mich dann doch: Trotz ihrer wütenden Worte hatte sie
Angst.
     
    Unter einer Tür im ersten Stock schien
Licht hindurch. Patrick Neilan zufolge wohnte dort Vanessa Lu, die an der nahe
gelegenen Happy Days Vorschule unterrichtete.
    Ich klopfte an und erklärte, wer ich war
und was ich wollte. Lu, eine durchtrainierte Frau in blassblauem Jogginganzug,
wirkte misstrauisch. Als ich jedoch Neilan erwähnte, schwand ihre
Zurückhaltung, und sie bat mich herein. Die Wohnung war genauso geschnitten wie
die von Angela Batista, aber aufgeräumt und mit schlichten Möbeln eingerichtet,
die ich aus den Anzeigen von Cost Plus kannte. Lu bot mir einen

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