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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Platz an dem
Esstisch aus Teakholz an und dazu, Gott sei Dank, Mineralwasser mit
Zitronenscheiben statt einem üblen Kaffeegebräu.
    »Alex Aguilar ist der klassische Fall
eines Menschen, der sich in der Öffentlichkeit unsicher fühlt und das durch
kleinliche Tyrannei im Privatleben kompensiert. Ich nehme an, Patrick hat Sie
schon über die Regeln und Bestimmungen aufgeklärt.«
    »Angela Batista ebenfalls.«
    »Ich kenne sie nicht näher, wir grüßen
uns nur. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass sie auch schon mit ihm aneinandergeraten
ist. Wie wir alle.«
    »Was genau meinen Sie damit, dass er
sich in der Öffentlichkeit unsicher fühlt?«
    »Ich glaube, Alex war noch nicht bereit
fürs Rampenlicht, als er in den Stadtrat gewählt wurde. Es heißt, die
hispanischen Führer des Bezirks hätten ihn dazu gedrängt, er habe gar nicht mit
einem Sieg gerechnet. Bisher hat er sich tapfer geschlagen, aber man merkt ihm
die Anspannung allmählich an. Und solche Anspannungen entladen sich meist zu
Hause.«
    »Wie sind Sie mit ihm
aneinandergeraten?«
    »Na ja, einmal hat er meinen Müll auf
dem Gehweg verstreut, weil ich ihn zu früh hinausgestellt hatte. Und er hat
mich angebrüllt, weil mir in der Waschküche das Waschpulver umgekippt ist.
Seither halte ich mich von ihm fern. Ich habe gelernt, seinen Ausbrüchen zu
entgehen, stelle den Müll raus, wann er es will, wasche bei Tidee Clean und
verhalte mich insgesamt unauffällig.«
    »Stört es Sie nicht, dass Sie wegen
eines Mitbewohners solche Einschränkungen hinnehmen müssen?«
    Sie lächelte und fuhr sich mit der Hand
durch ihr kurzes, zerzaustes Haar. »Klar stört es mich, aber die Wohnung ist
relativ preiswert. Ich kann zu Fuß zur Arbeit gehen, brauche daher keinen
Wagen, und kann Geld sparen, um mir irgendwann ein Haus zu kaufen. Ich habe
nicht vor, das alles wegen eines Typen mit schwach entwickelter Persönlichkeit,
der in ein paar Jahren Geschichte sein dürfte, zu riskieren.«
    »Geschichte? Ich dachte, Aguilar strebe
das Amt des Bürgermeisters an.«
    »Er — oder seine Leute — mögen das ja
tun, aber ich vermute, dass Alex sich irgendwie selbst zerstören wird.«
    »Interessant. Sind Sie jemals einem
seiner Übernachtungsgäste namens R.D. begegnet?«
    »Ein Latino? Groß, mit Narben im
Gesicht?«
    »Ja. Angela Batista hat ihn erwähnt.
Sie sagte, er könne ein Ex-Knacki sein.«
    »Würde mich nicht überraschen. Die
Narben, dazu die Tätowierungen... Er war zwei Wochen hier, vielleicht auch
drei, dann ist er wieder verschwunden. Wir sind uns im Flur begegnet, haben
aber kein Wort miteinander gesprochen, nicht mal genickt. Ich mache
Selbstverteidigung und bin nicht gerade schüchtern, aber der Mann hat mir Angst
eingejagt. Wenn der statt Alex hier die Regeln aufstellte, würde ich ernsthaft
an einen Umzug denken.«
     
    Es war völlig dunkel, als ich das Haus
verließ. Die Straße wirkte ruhig, doch von weitem hörte ich Sirenen, die eine
Kakophonie anderer Geräusche übertönten: plärrende Musik, Autohupen,
Hundegebell, eine brüllende Männerstimme. Geheul. Als ich die zwei Blocks zu
meinem MG ging, zersplitterte auf dem Gehweg hinter mir eine Flasche. Ich
schoss herum, sah eine Gestalt zwischen zwei Häusern verschwinden.
    Es ist nichts Persönliches, McCone, und
das hier ist keine üble Gegend. Herrgott, du hast selbst mal ein paar Straßen
weiter gewohnt, in der Nähe einer Kreuzung, deren vier Ecken heute mit schicken
Häusern bebaut sind.
    Eilige Schritte hinter mir. Eine Hand
zerrte am Riemen meiner Schultertasche. Ich hielt sie fester, riss sie weg.
    Bevor ich mich umdrehen konnte, stieß
die Person ein schrilles Kichern aus und rannte davon.
    Ein Teenie, der sich einen dummen
Scherz erlaubt, sonst nichts. Die echten Räuber kommen viel später, in den
gefährlichen Stunden.
    Mein MG parkte in einem unmöglichen
Winkel an der nächsten Straßenecke. Ich nahm den Schlüssel aus der Tasche,
eilte zum Wagen. Blieb abrupt stehen.
    »Verdammt noch mal!«
    Das Cabrioverdeck war aufgeschlitzt,
der Riss klaffte über die gesamte Breite. Ich sah durchs Fenster. Meine
Aktentasche war verschwunden, und mit ihr einige Akten, mein Kassettenrekorder
und mein Palm Pilot, ein teurer Füller, den mir die Mitarbeiter zum Geburtstag
geschenkt hatten, eine Visitenkartendose aus Sterlingsilber... Es hatte keinen
Sinn, den Diebstahl zu melden; solche Gegenstände tauchten nie wieder auf. Mein
Fehler, sie so offen im Auto liegen zu lassen.
    Ich untersuchte den

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