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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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bisschen Luft verschafft. Als wegen der Terrorgefahr höchste
Alarmstufe herrschte, wollte ich nicht kneifen, aber allmählich kommt es mir
vor, als würde ich für paranoide Klienten den Seelenklempner spielen.«
    »Gehört das nicht zu deinem Job?«
    »Teilweise schon, aber ich kann das
nicht so gut. Ich habe Dave und Gage gesagt, sie sollen jemanden damit
beauftragen, der mehr Taktgefühl besitzt und solche Idioten besser ertragen
kann als ich. Sie waren einverstanden. Im Falle einer echten Krise bin ich
natürlich zur Stelle, aber ansonsten...« Ich spürte sein Achselzucken.
    »Also wirst du auf die Ranch oder nach
Touchstone fliegen.«
    »Von wegen. Ich bleibe hier bei dir.
Wir kümmern uns gemeinsam um diesen Dominguez. Noch ein paar Stunden, dann
legen wir los.«
     
    Die Cash Cow lag eingeklemmt zwischen
einem philippinischen Reisebüro und einem Thai-Restaurant und verriet schon von
außen, dass der Besitzer ein wenig exzentrisch war. Der Name leuchtete in roter
Neonschrift von der Fassade, doch bei dem Tier auf dem Bild darunter handelte
es sich eindeutig um einen Stier. Darüber hinaus war Darrin Boydston dazu
übergegangen, während der Öffnungszeiten ein ausgestopftes Kamel und einen
Grizzlybären auf den Gehweg zu stellen, die er bei irgendeinem dubiosen
Geschäft als Pfand akzeptiert hatte. Das Kamel glotzte mich an, als ich das
Pfandhaus betrat.
    Der Laden selbst war ebenfalls eine
skurrile Mischung: Boydston besaß vermutlich die größte Sammlung gebrauchter
Staubsauger in ganz Nordamerika, dicht gefolgt von einem enormen Angebot an
Fitnessgeräten, Videorekordern, veralteten Computern und Fernsehern. Jedes
Eckchen war mit allen erdenklichen Waren vollgestopft, von der niedrigen Decke
baumelten Gitarren, Fahrräder, Kronleuchter und Stühle. An diesem Morgen war
Tommy Jones, ein Junge, den Boydston von der Straße geholt hatte, gerade dabei,
ein Surfbrett an der Decke zu befestigen, während seine Mutter Mae in der
Schmuckvitrine Staub wischte. Sie lächelte, als sie mich sah, und sagte, der
Boss sei im Büro.
    Das Büro war klein. Boydston, ein
fleischiger, kahler Typ im leuchtend blauen Synthetikanzug, schien den ganzen
Raum auszufüllen. Er schaute von seinem unordentlichen Schreibtisch auf und
fragte: »Wie geht’s denn so, kleine Lady?«
    Er war ein Texaner der alten Schule und
hatte, anders als Charlotte Keim, seinen Akzent nie verloren — ebenso wenig wie
seine antiquierte Art. Seit ich ihn vor Jahren einmal mitgenommen hatte, als
sein Wagen eine Panne hatte, und er erklärte, »für ein Mädchen« führe ich
»recht anständig«, hatte ich entschieden, dass ich seinem leichten Sexismus
nichts entgegenzusetzen hatte.
    Ich räumte einen Stapel Akten vom
einzigen Stuhl und setzte mich. »Nicht so gut, Darrin.«
    Sein verwittertes Gesicht wirkte
besorgt. »Ich kann dir ein nettes Darlehen — «
    »Es geht nicht um Geld.« Ich holte das
Phantombild aus der Tasche. »Kennst du den Mann?«
    Er blinzelte. »Kommt mir bekannt vor,
aber hier schauen viele Leute rein.«
    »Denk mal an letzte Woche. Der Cowboy
war im Laden, als der Typ sich nach Waffen erkundigte. Hat er eine gekauft?«
    »Gib mir seinen Namen, ich sehe mal
nach. Der Antrag dürfte noch nicht entschieden sein.«
    »Er war auf einen illegalen Deal aus.«
    Boydston gab sich gekränkt, aber nicht
sonderlich lange. Ihm war klar, dass ich über seinen Schwarzhandel im Bilde
war. »Dazu kann ich leider nichts sagen, kleine Lady.«
    »Darrin, ich mag dich — trotz der
blöden Kleine-Lady-Masche. Ich finde es gut, wie du Tommy und Mae geholfen hast
und vielen anderen Leuten aus der Gegend. Aber das hier ist ernst. Die Waffe,
die du diesem Mann verkauft hast, wurde vermutlich benutzt, als meine
Mitarbeiterin Julia Rafael gestern Abend niedergeschossen wurde.«
    »Die kleine Jules? Gott verflucht, sie ist doch nicht...?«
    »Vor ein paar Stunden haben sie gesagt,
sie kommt durch.« Mick hatte um sieben noch mal aus dem Krankenhaus angerufen.
»Aber es war knapp, und sie wird lange brauchen, bis sie sich erholt hat.«
    »Verdammt! Ich kenne die Kleine, seit
sie auf der Sixteenth Street ihre Masche abgezogen hat. Kein übles Mädchen, nur
arm und rebellisch, und die Jugendstrafe hat sie auf den richtigen Weg
gebracht. Die Leute in der Gegend sind stolz auf sie, die glauben nicht an den
Scheiß mit der Kreditkartensache.« Er deutete auf das Bild. »Was hat das
Arschloch gegen sie?«
    Ich nutzte seine Zuneigung zu Julia
aus. »Keine Ahnung.

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