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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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eben nicht
erwischen.
    Nur ein Wagen parkte eng an der Mauer,
ein schäbiger weißer Datsun. Dämmerlicht fiel durch die Glastür des Hauses. Ich
ging auf die Treppe zu, hielt inne, ein Schauer überlief mich.
    Ich werde beobachtet.
    Aber von wo?
    Ich schloss die Augen, überließ mich
meinem Gefühl.
    Nicht von hinten. Auch nicht von rechts
oder links. Nicht von vorn, der Flur ist gut beleuchtet. Von oben? Kann sein,
aber es gibt kaum Fenster.
    Ach, ich bin einfach nervös, meine
Phantasie geht mit mir durch.
    Ich versuchte, die Tür zu öffnen.
Rechnete damit, dass sie verschlossen wäre, aber nein. Wieso...?
    Dann hörte ich das Surren der
Nähmaschinen aus der Werkstatt. Natürlich, solche Firmen arbeiteten rund um die
Uhr. Zum Glück hatte jemand die Tür offen gelassen.
    Ich glitt hinein, durchquerte den Flur
und spähte in den Nähsaal. Zehn, zwölf Frauen saßen mit gebeugten Köpfen über
den Maschinen und führten geschickt den Stoff hindurch. Ich huschte an der Tür
vorbei, zur Treppe neben dem Aufzug.
    Der erste Stock war dunkel bis auf die
trübe Flurbeleuchtung. Ich bog um mehrere Ecken, bis ich das Ausbildungszentrum
erreicht hatte. Ein Flügel der Doppeltür war nur angelehnt. Mit der Hand am
Revolver schlüpfte ich hinein. Horchte. Nichts war zu hören, alles wirkte
verlassen. Dennoch wartete ich mehrere Minuten, bevor ich mich weiterwagte.
    Ich passierte einen Raum nach dem
anderen: Fitnessraum, Kindertagesstätte, Sprachlabor, Unterrichtsräume,
Kantine. Alles war still und dunkel. Doch in der Bürokabine neben der von
Santamaria brannte Licht. Ich hielt inne, glitt zurück, lauschte.
    Irgendwie musste ich mich verraten
haben. »R.D., bist du das?«
    Ich kannte die Stimme von unserer
ersten Besprechung, als er uns damit beauftragt hatte, die Diebstähle zu
untersuchen. Alex Aguilar war wieder in der Stadt.
    »Hör mal, R.D.«, sagte er und kam zum
Eingang der Bürokabine, »Schluss mit dieser Vendetta. Johnny Duarte ist tot.
Harriet Leonard ist mit dem Geld und der Ware abgehauen, die sie in seiner
Wohnung gefunden hat. Tracy gibt mir an allem die Schuld und droht, zu den
Bullen zu gehen. Und jetzt erfahre ich von meinem Kontakt beim San Francisco
Police Department, dass Julia Rafael erschossen wurde. Das muss aufhören!«
    Was nun? Verstecken?
    Von wegen.
    Flucht nach vorn.
     
    Ich kam um die Ecke, die Waffe in
beiden Händen. »Und ob es aufhören wird!«
    Aguilar wirkte überrascht, dann wurde
er blass. Wich zurück. »Mein Gott, was machen Sie denn hier? Sind Sie
verrückt?«
    Ich drängte ihn ins Büro, zeigte auf
den Schreibtischstuhl und blieb in sicherer Entfernung stehen. Der Stuhl war zu
hoch eingestellt, Aguilars Füße reichten nicht ganz bis zum Boden. Er tastete
nach einem festen Halt. Sein charismatisches Lächeln war verschwunden, seine Augen
waren vor Angst geweitet.
    »Sie wollten heute Abend also Ihren
Freund R. D. hier treffen.«
    »Er ist nicht mein Freund.«
    »Aber er kommt her.«
    »Ja. Hat sich verspätet.«
    »Wozu dieses Treffen?«
    Keine Antwort. Seine Augen zuckten hin
und her, als suchte er nach einem Ausweg.
    »Wozu?«, drängte ich.
    »Er... er braucht Geld.«
    »Und obwohl er nicht Ihr Freund ist,
wollen Sie es ihm geben?«
    Schweigen.
    »Gut, wenn Sie es mir nicht erzählen
wollen, kann ich ebenso gut rekonstruieren, was zwischen Ihnen vorgefallen ist.
Reynaldo Dominguez hat Sie in der Hand — ja, ich kenne seinen Namen und weiß,
warum er mich ruinieren will. Ich vermute, Sie haben für ihn gedealt, als Sie
noch in San Diego lebten.«
    Aguilar wandte sich ab und starrte an
die Wand.
    »Sie waren da unten ein ziemlich
kleines Licht und wollten sich wohl nur während des Studiums etwas
hinzuverdienen. Dealen war lukrativer als kellnern. Und da Sie ein kleines
Licht waren, kamen Sie ungeschoren davon, während Dominguez ins Gefängnis
wanderte. Sie flohen nach L.A. und wurden ein gesetzestreuer Sozialarbeiter.
Ganz schöne Kehrtwende, was?«
    Schweigen.
    »Zugegeben, ein Teil meiner Theorie
basiert auf Vermutungen. Beispielsweise glaube ich, dass Ihnen das Wohl Ihrer Leute
aufrichtig am Herzen liegt, davon zeugt dieses Ausbildungszentrum. Doch
irgendwann erlagen Sie der Verlockung politischer Macht, und als die Publicity
bezüglich Ihrer Kandidatur fürs Bürgermeisteramt losging, hat Ihr alter Boss
Reynaldo Dominguez davon Wind bekommen. Er beschloss, herzukommen und Ihnen Daumenschrauben
anzulegen. Was Ihr alter Kumpel Johnny Duarte bereits getan

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