Zu gefährlicher Stunde
ein schwacher Lichtschein. Der Garten war so
zugewuchert, dass ich mich hinter dem Unkraut verstecken konnte. Was ich auch
tat. Ich konnte gerade noch ein Niesen unterdrücken.
Ich horchte. Unterdrückte ein weiteres
Niesen.
Verdammt, ich hatte nie irgendwelche
Allergien gehabt! Warum musste sich mein Körper das gerade jetzt anders
überlegen?
Keine Reaktion aus dem Inneren des
Hauses. Vielleicht war mir das Niesen auch nur so laut vorgekommen. Nach
einigen Minuten schlich ich vorwärts, glitt seitlich an der Hauswand entlang.
Die Fenster dort waren dunkel, an der Rückseite brannte Licht.
Noch mehr Unkraut und ein
durchhängender Zaun. Das Haus besaß einen Anbau, bei dem drei Wände eingesackt
waren. Der Boden war verrottet, aber ich balancierte über einen Balken und
konnte einen Blick durch das mit Spinnweben verhangene Fenster in der Hintertür
werfen.
Eine Küche. Unbenutzt. Eine leere
Arbeitsplatte, zusammengewürfeltes Geschirr hinter den Glastüren der Schränke.
Ich horchte. Alles still. Niemand zu
sehen. Ich nahm den Revolver und griff nach dem Türknauf. Er ließ sich mühelos
drehen, die Tür schwang auf.
Schon wieder Hausfriedensbruch.
Nein, ich helfe bei einer polizeilichen
Ermittlung.
Mein Gewissen verstummte.
Lautlos glitt ich durch die Küche.
Blieb in einer kleinen Diele stehen, von der zwei Türen abgingen. Vor mir
führte ein Durchgang ins vordere Zimmer. Licht fiel auf den Linoleumboden.
Ganz ruhig.
Durch die Diele. Rechts Badezimmer,
leer. Links Schlafzimmer, ebenso.
Pause. Horchen.
Nichts. Weiter.
Ich presste mich an die Wand und spähte
ins vordere Zimmer.
Leer. Spärlich eingerichtet.
Dafür zahlreiche Anzeichen eines
Kampfes.
Eine zerschmetterte Lampe lag auf dem
Boden, die Birne flackerte noch. Ein Schaukelstuhl war umgekippt, ebenso ein
Regal, Bücher waren am Boden verstreut. Im Licht der Deckenlampe glitzerte der
gezackte Hals einer kaputten Bierflasche, umgeben von Scherben.
Ich trat ins Zimmer, die Waffe vor mir
ausgestreckt, und suchte nach einem möglichen Versteck. Dann sah ich mir alles
genau an, als wollte ich es fotografieren. Nichts Auffälliges: ein zerkratztes
Kunstledersofa, ein Tischchen voller Brandflecken, ein Fernseher, ein Telefon
mit Wählscheibe, dessen Kabel aus der Wand gerissen war.
Ein möglicher Tatort - nur nichts
berühren.
Ich kehrte in das kleine Schlafzimmer
zurück, schaltete die Deckenlampe ein. Ein Doppelbett mit zerwühlten Laken,
Kommode, Männerkleidung an Wandhaken. Sonst nichts. Auf der Kommode lagen
einige Münzen und eine Brieftasche. Ich klappte sie mit Hilfe eines
Taschentuchs auf.
Bargeld — nicht viel, nur kleine
Scheine. Keine Kreditkarten. Das Foto einer jungen Frau mit toupiertem Haar,
das wohl aus den Sechzigern stammte. Führerschein, ausgestellt auf Dan Jeffers.
Das Bild zeigte einen schmalen Mann mit schütterem Bart und Geheimratsecken;
das Dokument war seit zwei Jahren abgelaufen.
Jeffers in einem Haus, das Dominguez’
Knastkumpel gehörte?
Ich legte die Brieftasche hin, ging die
Kommodenschubladen durch. Kleidung, preiswert und zweckmäßig. Im Bad fand ich
das Übliche, dazu ein Röhrchen verschreibungspflichtige Xanax-Tabletten, die im
Mai in der Apotheke in Los Alegres abgefüllt worden waren.
Ich hielt das Röhrchen hoch und
schüttelte die Tabletten. Hier stimmte etwas nicht. Keine Spur von Dominguez’
Knastkumpel.
Und Dan Jeffers? Hatte der etwa auch
mit Dominguez und Sly Rawson gesessen? Falls ja —
Ein gedämpftes Klingeln aus meiner
Handtasche. Ich legte das Röhrchen wieder in den Arzneischrank, holte das Handy
aus der Tasche und meldete mich.
»Shar? Jemand hat draußen am Pier auf
Mick geschossen.« Charlottes Stimme klang unsicher und schrill und verriet wie
immer, wenn sie aufgeregt war, ihre texanische Herkunft. »Er ist okay, aber du
solltest sofort herkommen.«
Blaulicht, Absperrband, Stau durch
gaffende Autofahrer. Ein Ü-Wagen von den Nachrichten auf Channel 7. Ich parkte
den MG auf dem Gehweg vor dem benachbarten Pier und rannte los. Adah stand im
Eingang der Agentur und sprach mit zwei Zivilbeamten; ein Techniker hockte auf
einer Leiter und stocherte mit einem Messer im Putz, um die Kugel zu entfernen,
die für meinen Neffen bestimmt gewesen war. Ich stieg über das gelbe Band und
ging hinüber zu Adah.
»Wo ist Mick?«
»Drinnen. Ihm geht es gut, McCone.
Mitgenommen, aber gesund. Dieser Schuss« — sie deutete auf die Wand — »sollte
ihn wohl gar nicht treffen. Er schlug
Weitere Kostenlose Bücher