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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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die
meisten Leute erst nach Einbruch der Dunkelheit zum Leben. Craig besaß kaum
Informationen über Dominguez’ Freund; seine Bewährungsfrist war seit sechs
Monaten abgelaufen, und er musste nicht länger seinen Aufenthaltsort oder seine
derzeitige Arbeitsstelle melden. Ein ehemaliger Zellengenosse behauptete aber,
er wohne noch immer unter dieser Adresse.
    Mein Handy klingelte. Adah.
    »Sie haben Aguilars Wagen gefunden. Er
stand an einer Raststätte an der 280, die mit der Statue von Father Serra, die
aussieht, als hielte sie einen Football in der Hand. Kein Gepäck. Er muss sich
mit jemand getroffen haben.«
    »Wie wäre es mit Tracy Escobar, seiner
Freundin, die auch im Ausbildungszentrum arbeitet?« Ich gab ihr kurz die Fakten
durch.
    »Ich häng mich dran.«
     
    Mein Blick wanderte wieder zum blauen
Haus. Ich dachte angestrengt über Reynaldo Dominguez nach. Rekonstruierte den
Ablauf der Ereignisse, seit er nach San Francisco gekommen war.
    Er war bei Aguilar eingezogen. Das
Arrangement verlief nicht sonderlich harmonisch. Dann fand er heraus, dass
Aguilar meine Agentur beauftragt hatte, die Diebstähle im Ausbildungszentrum zu
untersuchen, und erpresste ihn, damit er ihm half, mich fertig zu machen. Scott
Wagner bekam Wind von dem Plan, worauf Dominguez ihn tötete. Vermutlich fiel
Dan Jeffers ihm ebenfalls zum Opfer. Nur weil es keine offizielle Todesmeldung
gab, hieß das noch lange nicht, dass Dominguez ihn verschont hatte. In der
wilden Natur Kaliforniens ruhen die Knochen zahlreicher unbekannter Toter.
    Julia wurde verhaftet. Ich nahm die
Ermittlungen auf. Dominguez beobachtete mich bereits, sah mich bei Aguilar zu
Hause. Also stahl er die Aktentasche aus meinem Wagen, um herauszufinden, wie
viel ich wusste. Vermutlich sah er mich auch zusammen mit Johnny Duarte, worauf
er Duarte einen Besuch abstattete und erfuhr, was dieser mir erzählt hatte.
Abgang Duarte.
    Ich konnte zwar die verdrehte Logik
hinter den Morden an Wagner und Jeffers verstehen, doch warum Duarte? Er hatte
mir gar nichts über Dominguez verraten. Ich hatte bereits vermutet, das
Dominguez in Duartes Drogengeschäft einsteigen wollte, aber dafür musste er den
Dealer nicht vom Devil’s Slide stoßen. Der Mord an Duarte kam mir unlogisch
vor, andererseits brauchten Männer wie Dominguez keinen wirklichen Grund, um
andere zu töten. Er hatte das inszenierte Messerduell mit Troy Winslip
genossen. Und wahrscheinlich auch den Mord an Johnny.
    Danach war er sehr beschäftigt gewesen,
wollte alles über meine Aktivitäten erfahren, provozierte mich mit den
Nachrichten. Er wusste, dass ich ihn erkannt hatte und ihm auf den Fersen war,
aber wusste er auch, wie schnell alles ging? Und wenn ja, was wäre sein
nächster Schritt? Nicht die Flucht, dafür fand er zu viel Spaß an der Sache.
Vermutlich würde er einen weiteren Mitarbeiter der Agentur angreifen oder eine
Konfrontation mit mir erzwingen, je nachdem, wie lange er sein Spiel noch
weitertreiben wollte.
    Beide Möglichkeiten waren unerfreulich,
aber es war mir lieber, Dominguez persönlich gegenüberzutreten, als jemand
anders in Gefahr zu bringen. Ich musste ihn irgendwie aus der Reserve locken.
Denn bis dahin war niemand, der mit mir zu tun hatte, vor ihm sicher.
    Bei dem Gedanken überlief es mich kalt.
Was sollte ich tun? Um Polizeischutz für alle bitten, die mir irgendwie
nahestanden? Wohl kaum. Aber eines gab es, das ich sofort erledigen konnte, und
zwar hier im Wagen.
    Ich rief Ted an. Erklärte ihm die
Situation und bat ihn, die Mitarbeiter zu warnen. Dann arbeitete ich mich durch
mein Telefonbuch, warnte die Leute persönlich oder hinterließ eine
entsprechende Nachricht auf dem Anrufbeantworter.
     
    Es dämmerte, und noch immer rührte sich
nichts im blauen Haus. Ich setzte zweimal den Wagen weg, nachdem mir Bewohner
misstrauische Blicke zugeworfen hatten. Nichts von Hy oder Patrick. Keine
Neuigkeiten von Craig. Mick hatte aus dem Krankenhaus angerufen, um mir zu
sagen, dass man Julia von der Intensivstation in ein Zweibettzimmer verlegt und
dass sie nach mir verlangt habe. Ich berichtete von meiner Überwachung und gab
ihm eine Nachricht für Julia durch.
    Vom stundenlangen Sitzen fühlte ich
mich steif und verkrampft. Durst hatte ich auch, musste mich aber beherrschen,
wenn ich nicht wie die alte Frau Zuflucht im Gebüsch suchen wollte. Schließlich
stieg ich aus und ging langsam auf das blaue Haus zu.
    Hinter den Tüchern, mit denen die
Fenster verhängt waren, schimmerte

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