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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Hölle …?«
    »Das erzähle ich dir später. Sag mir einfach, was ich tun soll!«
    »Am besten du bleibst, wo du bist, und rührst dich nicht von der Stelle. Sobald du sicher bist, dass die Luft rein ist, haust du ab, und zwar schnell. Achte darauf, dass dich niemand sieht – vor allem nicht Stimpfl. Wenn er tatsächlich etwas mit dem Mord zu tun hat, dann ist er gefährlich. Hast du verstanden?«
    »Ich glaube, er kommt zurück. Ich melde mich wieder.« Capelli beendete das Gespräch und beobachtete, wie Stimpfl mit einer Schachtel in der Hand zum Fenster hinausschlüpfte und wieder in Richtung Pfarrhaus huschte. Was diese Schachtel wohl enthielt? Es musste wohl etwas Wichtiges sein, wenn ein Priester dafür das siebte Gebot, du sollst nicht stehlen, missachtete.
    Und wer weiß – vielleicht hatte er deswegen ja sogar gegen das fünfte, du sollst nicht töten, verstoßen.

»Nicht gedacht soll seiner werden,
    nicht im Liede, nicht im Buche.
    Dunkler Hund im dunkeln Grabe,
    du verfaulst mit meinem Fluche!«
    Heinrich Heine
    Während Morell bei Uhl gewesen war, hatte Bender ihm per SMS die Adresse von Friedrich Zuckermann, einem pensionierten Botaniker, geschickt.
    Zuckermann lebte im sogenannten Cottageviertel, einer mondänen Wohngegend im achtzehnten Bezirk, die aus ruhigen, von Bäumen gesäumten Gassen, gepflegten Grünflächen und Anwesen im englischen Landhausstil bestand. Im Unterschied zu der Gegend, in der Novak gewohnt hatte, dominierte in diesem Viertel nicht modernes Design, sondern herrschaftliche Eleganz. Auf Tradition wurde hier mehr Wert gelegt als auf Trend, und Stil war wichtiger als Style.
    Hinter der Adresse, die Bender gesendet hatte, verbarg sich eine klassische Altbauvilla, und Morell betrachtete angetan einige Minuten lang die hübschen Türmchen und fein gearbeiteten Ornamente an der Fassade, bevor er die Stufen zur Haustür hinaufstieg und auf den Klingelknopf drückte.
    Ein ungefähr vierjähriges Mädchen mit blonden Zöpfen und einer großen Zahnlücke öffnete. »Grüß Gott«, sagte sie und starrte den Fremden mit großen blauen Augen an.
    »Wer ist es denn, Hannah?«, rief eine Stimme aus dem Inneren des Hauses.
    Die Kleine musterte Morell von oben bis unten. »Ich weiß nicht«, schrie sie zurück.
    Wenige Augenblicke später erschien ein großgewachsener, sportlich gekleideter Mann in der Tür. Da das Mädchen ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war, konnte es sich dabei nur um Hannahs Vater handeln.
    »Mein Name ist Otto Morell, und ich würde gerne mit Friedrich Zuckermann sprechen. Bin ich hier richtig?«
    »Das ist mein Vater«, nickte der Mann und hob seine Tochter hoch. »Was wollen Sie denn von ihm?«
    »Ich benötige dringend ein paar Informationen über eine Ausgrabung, bei der er Ende der 70er Jahre mitgearbeitet hat.«
    »Verstehe.« Zuckermanns Sohn zauderte. »Ich fürchte aber, dass heute kein guter Tag ist, um mit ihm zu reden«, sagte er dann. »Könnten Sie vielleicht ein anderes Mal vorbeischauen?«
    »Warum denn das?«
    »Opa ist heute wieder böse«, sagte Hannah verschwörerisch.
    »Böse?«
    »Er ist demenzkrank«, klärte ihr Vater Morell auf. »Bis vor kurzem war er einfach nur ein wenig vergesslich und hier und da ein bisschen verwirrt, aber seit einiger Zeit werden seine klaren Momente seltener, und er wird immer aggressiver und misstrauischer. Heute haben Sie leider einen ganz schlechten Zeitpunkt erwischt. Er grantelt schon den ganzen Tag herum. Am besten, Sie lassen mir Ihre Telefonnummer hier, dann rufe ich Sie an, sobald er wieder etwas umgänglicher ist.«
    »Und wann könnte das sein?«
    »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht morgen oder übermorgen. Man kann das nicht wirklich vorhersagen.«
    Morell schüttelte den Kopf. »Ich brauche die Informationen so schnell wie möglich. Lassen Sie es mich bitte zumindest versuchen.«
    Hannah blickte Morell mit großen Kulleraugen an. »Er ist böse«, wiederholte sie. »Ich mag ihn nicht mehr.« Dann vergrub sie ihr Gesicht in der Halsbeuge ihres Vaters.
    »Komm schon, Süße«, sagte dieser. »Er ist doch dein Opa. Die ganze letzte Woche war er doch gut drauf und lieb zu dir.«
    »Er ist nicht mehr mein Opa«, murmelte sie leise.
    »Kinder«, sagte Zuckermann junior und zuckte mit den Schultern. »Haben Sie auch welche?«
    Morell schüttelte den Kopf. »Leider nicht.« Er spürte, wie ein messerscharfer Blitz durch seine Brust schoss und direkt in sein Herz fuhr. Die Ermittlungen hatten ihn tatsächlich

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